Freitag, 26. August 2011

USP = ASM

Was soll das denn bitteschön heißen? USP, ASM, LMAA oder was? Aaaalso: der USP bezeichnet den "Unique Selling Point", also gleichzeitig das ASM, das "Alleinstellungsmerkmal"... Ist Werbesprech und muss nicht auf Anhieb von jedem verstanden werden. Deshalb erkläre ich das mal an einem (bzw. mehreren) Beispiel(en):

E-Books sind auf dem Vormarsch, seitdem es mittlerweile ganz passable Reader dafür gibt. Doch unterscheiden sich die Reader der einzelnen Hersteller derart, dass nicht jedes E-Book auch auf jedem beliebigen Reader gelesen werden kann. Im ersten Moment erinnert das an den – mittlerweile ausgefochtenen – Kampf zwischen Blue-Ray-Disc und HD-DVD sowie VMD. Blue-Ray hat sich durchgesetzt. Wer sich seinerzeit einen HD-Player anschaffte und stolz darauf war, diese innovative Technik zu nutzen, hat jetzt das Nachsehen: Es werden keine Filme mehr in diesem Format angeboten (abgesehen von Restbeständen). Gut, diese Leute können irgendwie auch stolz darauf sein, etwas zu besitzen, was nun niemand mehr kaufen kann. Aber ob sie das beim Kauf der damals teuren Geräte beabsichtigt hatten? Ich zweifle stark daran.
Ich find’s ja auch schade, dass ich nicht mehr einfach so auf den Inhalt von Disketten zurückgreifen kann, weil in meinem PC wie auch in meinem Laptop der dafür vorgesehene Schacht einfach leer bzw. geschlossen ist. Statt dessen sind jetzt an den unmöglichsten Stellen USB-Ports angebracht, dass einem schwindlig werden kann.

Doch es scheint inzwischen ein grundlegendes Problem zu sein, aus technischem Fortschritt eine Art War for Clients auszufechten und damit den ultimativen Wettbewerb um die Vormachtstellung auf dem Markt mit dem Ziel, ein Monopol zu errichten, anzukurbeln. Microsoft und Apple haben es vorgemacht und konsequent durchgezogen. Noch heute - nach über 30 Jahren seit Gründung dieser beiden Firmen - können Nutzer der einen Software nicht mal eben mit Nutzern der anderen Software Dokumente austauschen, um gemeinsam an Projekten zu arbeiten.

Es muss einfach jeder sein eigenes Süppchen kochen und nicht zulassen, dass Konkurrenzprodukte sich einfach so einschleichen...

Ein weiteres - aus meiner Sicht haarsträubendes - Beispiel hierfür sind banale Radmuttern am Auto. Wusstet Ihr, dass man mit einem handelsüblichen Radmutternschlüssel (der nach Auskunft des Tankwarts auf eigentlich alle gängigen Modelle passen sollte) nicht die Radmuttern an einem Ford lockern bzw. anziehen kann? Die sind nämlich größer (oder kleiner? - egal!). Diese Erkenntnis musste ich lernen, als ich spätabends an einer Landstraße mal einen Reifen wechseln musste bzw. wollte. Ich konnte ja nicht, weil der doofe Schlüssel, den ich aus meinem Vorgängerwagen (Opel) mitgenommen hatte, als das gute Stück verschrottet wurde, einfach nicht passen wollte. Der gelbe Engel vom ADAC war sehr nett und hilfsbereit, konnte sich aber weder das Schimpfen auf die Hersteller noch das Lachen über die Situation an sich verkneifen. War ja auch zum Schreiben komisch: Blondine versucht verzweifelt, mit einem nicht passenden Schlüssel die Radmuttern zu lösen, um alleine und ohne männliche Hilfe ein Rad auszuwechseln... Sah ein bisschen doof und hilflos aus und wäre in einer Comedy sicherlich ein guter Brüller.

In diesem Sinne:
  1. Alleinstellungsmerkmale mögen für den Hersteller auf den ersten Blick toll sein (ist schließlich was Besonderes), sind aber in der Praxis für den Nutzer oftmals eher ein Hemmschuh.
  2. Die besten Geschichten schreibt immer noch das wahre Leben.

Montag, 25. Juli 2011

Eine Frage des guten Geschmacks

Das Zentrum der Gesundheit der Gesellschaft für Ernährungsheilkunde GmbH hat auf seiner Website einen Hinweis mit Datum vom 02.10.2007, in dem es vor dem Einsatz des Geschmacksverstärkers Glutamat in „unzähligen Fertignahrungsmitteln und Würzmitteln“ warnt, da es sich „hierbei um einen der schwersten, legal zugelassenen Gehirnzerstörer handelt“. Im wahren Leben steckt Glutamat in vorrangig asiatischem Essen, aber auch in Fertig- und bzw. Tiefkühlgerichten, Tütensuppen, Kartoffelchips oder Würzsoßen. Sogar naturbelassene Lebensmittel enthalten den Geschmacksträger Glutamat.
Heute gibt's asiatisch © Grace Winter / pixelio.de
In Verruf bzw. in die Kritik geriet Glutamat bereits vor ca. 30 Jahren, als immer wieder Menschen verstärkt nach dem Genuss chinesischen Essens an diversen Beschwerden (Kribbeln und/oder Taubheit in Nacken, Armen und Rücken, Schwächegefühle, Herzklopfen) litten.



Daher hat diese Auffälligkeit auch die landläufige Bezeichnung „Chinarestaurant-Syndrom“ erhalten. Umfangreiche Studien ergaben ironischerweise, dass Asiaten, die nachweislich etwa drei Viertel des weltweit produzierten Glutamats verzehren, nicht von diesen Beschwerden betroffen sind. Mehrheitlich Amerikaner und Europäer stellten einen – übrigens in so genannten Doppelblindversuchen, bei denen die Versuchsperson nicht weiß, ob sie Glutamat erhielt oder nicht, nicht nachzuweisenden – Zusammenhang zwischen dem Genuss chinesischen Essens und zeitlich danach auftretenden Beschwerden her.
Die deutsche Gesellschaft für Ernährung e.V. vertritt die Ansicht, die „rationelle Verwendung von Glutamat zur Würzung“ sei „für die Allgemeinheit unbedenklich“ und stünde „in keinem Widerspruch zu einer gesundheitsbewussten Ernährung“. Diese Meinung und ihre Begründungen sind nachzulesen in der DGE-aktuell 08/2003 vom 10.06.2003, auf der Website der DGE ist dies die aktuellste Aussage zum Thema Glutamat und Gesundheit.
Das allerdings nur als Vorgeplänkel. Seit einiger Zeit läuft ja wieder eine „Glutamat-ist-Teufelszeug“-Schlacht, wenn sogar in Radionachrichten vor der Gesundheitsschädlichkeit des Geschmacksverstärkers Glutamat gewarnt wird. Es ist allerdings seltsam bzw. auffällig, wenn eine solche Kampagne anläuft, kurz nachdem und während die führenden Tütensuppenhersteller Deutschlands nahezu ihr gesamtes Sortiment von diesem Zusatzstoff befreit haben. Der Verbraucher wird auf den Tüten an prominenter Stelle darauf hingewiesen, dass dieses Produkt ohne den Zusatz von Glutamat hergestellt bzw. auf die Verwendung von Geschmacksverstärkern verzichtet wurde (einige Produkte kommen auch noch ohne zusätzliche bzw. künstliche Farbstoffe aus, das ist aber wieder ein anderes Thema).
Sollen die Pülverchen von Maggi, Knorr & Co. uns jetzt (wieder einmal) als die Optimallösung für die Berufstätigen, die keine Zeit mehr zum Kochen mit frischen Zutaten haben, ans Herz gelegt werden? Oder wer steckt sonst dahinter? Es kann wohl kaum ein Zufall sein, dass diese Ereignisse (Befreiung der bekannten deutschen Marken-Tütensuppen von Glutamat und neueste Studien, die belegen, dass Glutamat jetzt aber echt und wahrhaftig sowas von gesundheitsschädlich ist) zeitlich so eng beieinander liegen, oder? Abgesehen davon beinhalten die Tütenprodukte Hefen, die ihrerseits ebenfalls „natürliche“ und „naturidentische“ Geschmacksverstärker darstellen.
Ich bin ja immer an Verschwörungstheorien interessiert, um mich gerne mal darüber lustig zu machen oder einfach auch mein Satirerepertoire aufzustocken. Aber manchmal komme ich schon auch selbst ins Grübeln, ob nicht ein paar Dinge doch von bestimmten Stellen (Einzelpersonen, Konzernen, politischen Vereinigungen, Regierungen etc.) ganz gezielt gesteuert werden... Das ist der Stoff, aus dem James-Bond-Filme sind - zumindest die alten und guten Exemplare. Man denke nur an Goldfinger und Blofeld, ganz zu schweigen von Dr. No mit seiner GOFTA.
Eben rennt mir eine ganz absurde (und deshalb vermutlich nicht gänzlich ohne ein - wenn auch kleines - Körnchen Wahrheit auskommende) Assoziation durchs Hirn: GOFTA = Glutamatize Our Food Trading Association. OK, das Wort „glutamatize“ habe ich soeben erfunden, das gibt’s nicht wirklich. Aber das ist in der wunderbaren Welt der Werbung ja auch nichts Neues.

Mittwoch, 13. Juli 2011

Wir sind Griechenland! Franjo fängt an.

Kann sich noch jemand an die große “Du bist Deutschland”-Kampagne erinnern, die vor Jahren durch sämtliche Medien geisterte und zu der es ein supertolles Ironic Cover gab? Ich warte jetzt auf die große Medienkampagne zur Solidarität und Identifizierung der Bürger mit Europa im Allgemeinen und Griechenland im Speziellen. Da kann gerne die Leidenschaft für Gyros und Tzatziki herangezogen werden, griechischer Wein ist hierzulande ja eher musikalisch ein Genuss – und selbst der ist nur einer bestimmten Zielgruppe bekömmlich. Jedenfalls braucht Griechenland jetzt unsere Unterstützung, da es sich von der Wiege der Demokratie in einen Selbstbedienungsladen für einige wenige privilegierte Familien entwickelt hat. Diese Entwicklung muss irgendwie wieder in die richtigen Bahnen gelenkt werden, damit das Land nicht zu Grunde geht und seine europäischen Freunde mit in den finanziellen (und damit gesamtwirtschaftlichen) Ruin zieht.
Dieses “IndierichtigenBahnenlenken” gestaltet sich allerdings schwierig, da EUROPA sich nicht mal eben in innenpolitische Angelegenheiten seiner Mitgliedsstaaten einmischen sollte (das macht es zwar immer wieder; allein schon, indem es vorschreibt, welche Maße eine handelsübliche Gurke haben muss; reden wir aber nicht drüber, dann fällt das auch nicht weiter auf). Es kann aber genausowenig angehen, dass die europäischen Nachbarn, die der Eurozone angehören, jede Menge Geld an den griechischen Staat überweisen, welches anschließend stante pede wieder irgendwie – aus Sicht der Spender – “verjubelt” wird, indem lustig weiter so vor sich hingewurschtelt wird wie bisher.
Gerd Altmann/Shapes:dezignus.com/pixelio.de
Huch, jetzt hab ich plötzlich einen Ohrwurm – den Schlager “Eine Mark für Charly, denn Charly, der ist pleite. Wieder einmal Ebbe in seinem Portmonnaie” von Wencke Myhre aus dem Jahr 1979 (erschienen als 7. Track auf ihrer LP “So bin ich” – das aber nur als Hintergrundinfo für Fans).


Jedenfalls ist dieser Charly offensichtlich chronisch knapp bei Kasse, aber immer wieder gut am Feiern, weswegen er regelmäßig in die Bredouille gerät und auf eine Anzeige wegen Zechprellerei zusteuert. Die gute Wencke erbarmt sich, nimmt ihr neckisches Käppi vom Haupt und lässt die lustig-bunte Kopfbedeckung herumgehen, wobei sie singenderweise stellvertretend für Charly die übrigen Gaststättenbesucher anschnorrt. Jetzt könnte man sagen: “Ist doch nett von ihr, dem armen Charly aus der Klemme zu helfen, wenn er es selbst nicht mehr packt.” Ja, aber wenn sie das jedes Mal so macht, kommt dieser Charly nie im Leben auf den Trichter, dass er vielleicht irgendetwas in seinem Leben ändern sollte, um wieder auf eigenen Beinen stehen zu können.
In Bezug auf unsere griechischen Nachbarn (im Vorspann der Sendung “Nachbarn in Europa” – gibt’s die überhaupt noch? – waren auch Aufnahmen aus Griechenland zu sehen, die das Land als eher ärmlich darstellten) geistert die Diskussion der Finanzminister der Eurostaaten nun schon seit längerer Zeit immer wieder zwischen Euro-Rettungsschirm, Schuldenerlass, Umschuldung, sanfte Umschuldung, nächster Euro-Rettungsschirm, Euro-Rettungspaket undundund. Es könnt einem der Schädel platzen ob der vielen Bezeichnungen für ein und dieselbe Sache: Geld für Griechenland, damit es erst mal über die Runden kommt. Und wenn dieses Ziel verfehlt wird (wovon man leider ausgehen muss), dann wird die gute Wencke eben wieder singen, die übrigen Gäste anschnorren und dem Charly wieder aus der Patsche helfen. 

Ach so, wir waren schon weg von diesem Bild. Egal – Sie verstehen schon, was gemeint ist.

Keiner hat auch nur irgendwie einen Plan, ob und wie die “Geberländer” jemals die jetzt Griechenland zugeschusterten Milliarden wiederbekommen. Von Zinsen, wie dies in der Wirtschaft üblich ist, mag man nicht mal mehr kühn träumen. Die Banken, die dem Staat Griechenland immer wieder Kredite gewährt haben und es eigentlich hätten besser wissen müssen, da sich die Personen in den entsprechenden Positionen den ganzen Tag nur mit Geldwirtschaft und Geldpolitik beschäftigen (müssten, wenn sie nicht gerade Golf spielen oder den Ausblick vom Pissoir der Vorstandstoilette in der oberen Etage des Frankfurter Büroturms auf die Mainmetropole genießen), dürfen selbstverständlich auch nicht fallengelassen werden. Die muss man doch jetzt unterstützen, also bitte!
Privatleute können sich angesichts dieser Geldpolitik nur verwundert die Augen reiben und fragen, wie das überhaupt funktionieren soll. Doch muss man den Blick gar nicht so weit bis in den Süden Europas schweifen lassen: Ein Abstecher ins schöne Düsseldorf reicht schon. Dort hat die Sparkasse einem gewissen Franjo P. schließlich auch den Löwenanteil seiner Schulden erlassen. Dumm nur, dass irgendwer die Geheimhaltung nicht eingehalten hat und der Rest der Republik auch davon Wind gekommen hat: Von über 9 Millionen Euro musste Herr P. nur läppische 815.000 Euro zurückzahlen. Das macht gerade mal eine Quote von 8,76 %. Man ist geneigt zu fragen, wer oder was die Banker dazu bewegt haben mag, diesen Deal einzugehen.
Auf jeden Fall bin ich ernsthaft am Überlegen, ob ich nicht auch jede Menge Schulden mache und dann – unter Hinweis auf den Grundsatz der Gleichbehandlung gemäß Artikel 3 des Grundgesetzes – die Sparkasse darauf aufmerksam mache, dass sie nur 8,76 % davon zurückerwarten sollte. Der Gleichbehandlungsgrundsatz kommt zwar hauptsächlich in Fällen der öffentlichen Gewalt bzw. in weiterer Ausformulierung durch das Antidiskriminierungsgesetz vorrangig in arbeitsrechtlichen Konstellationen zum Tragen, aber das muss ich denen ja nicht gleich auf die Nase binden.  Jedenfalls bin ich mal gespannt, wie die Herren und Damen meiner Filiale darauf reagieren werden. Da ich aber weder mit dem blendende Aussehen des Herrn P. noch der gnadenlosen Marketingstrategie der zur Schau gestellten dreisten Dummheit seiner Frau (die gar nicht so dumm sein kann, da das Konzept offensichtlich aufgeht) aufwarten kann, befürchte ich, dass mein Vorhaben von eher weniger Erfolg gekrönt sein wird.
Tja  mir bleibt also nur, eisern zu sparen und meinen Lebensstil meinem Einkommen anzupassen – schließlich bin ich weder Griechenland noch Franjo. Aber wer will das auch schon sein?

Freitag, 1. Juli 2011

Koreanisches Abseits

Gestern fand in Frankfurt das WM-Spiel Deutschland gegen Nigeria statt. Ich hatte Karten und war mit der ganzen Familie dort. Die Atmosphäre im Stadion war prima, das Publikum – im Gegensatz zu den nigerianischen Damen (aber dazu später mehr) – äußerst fair und gut drauf.

Das Spiel an sich aber war die Hölle!!! Gefühlt hat unsere Mannschaft nicht nur gegen die nigerianischen Foulexperten, sondern gleichzeitig noch gegen die nicht unparteiische Schiedsrichterin aus Korea antreten müssen. Es war einfach unglaublich, was sich auf dem Rasen abspielte: Freistöße gab es prinzipiell nahezu ausschließlich für Nigeria, dafür wurden unsere Damen ständig ermahnt und es gab sogar eine gelbe Karte (ich weiß bis jetzt noch nicht, wofür überhaupt). Das erste Tor – geschossen von Kerstin Garefrekes – wurde nicht gegeben, da angeblich die Schiedsrichterin es wegen Abseits abgepfiffen haben soll. Seltsam nur, dass KG noch vor dem Schuss gezögert und zur Linienrichterin geschaut hat, deren Vileda-Wischlappen-Fähnchen allerdings nicht erhoben war. Sie durfte also davon ausgehen, dass sie nicht im Abseits gestanden hat, als der Pass gespielt wurde. Die Dame im gelben Dress in der Mitte des Spielfelds sah das dann aber anders und so stand es bis zur Halbzeitpause 0:0. Verständlich, dass die überwiegend deutschen Zuschauer darüber nicht amüsiert waren und es zu Unmutsbekundungen kam. Nach dem Abfiff zur Pause wurde dann zunächst für unsere Damen applaudiert und anschließend für die Gegnerinnen und die so genannten „Unparteiischen“, die nicht ganz so schnell in den Katakomben verschwanden, ein Pfeif- und Buhkonzert gegeben. In der Nachrichtenausgabe um 00:00 Uhr wurde dann gemeldet, die Fans hätten zur Halbzeit die Mannschaft mit Pfiffen in die Kabine geschickt. Das stimmt doch gar nicht! Die Pfiffe galten ausschließlich den Damen in grün/blau und gelb/schwarz.

Gott sei Dank hat Simone Laudehr nach der Pause dann den Ball im gegnerischen Netz versenkt. Damit hat sie zunächst mal für Aufatmen gesorgt, aber gleichzeitig den Kampfgeist der Nigerianerinnen noch mehr angestachelt. Die waren vorher schon recht raubeinig und eher als Holzfäller unterwegs denn als elegante Ballköniginnen. Aber nach dem Treffer ging es dann richtig zur Sache: Abgesehen davon, dass Melanie Behringer bereits in der ersten Halbzeit nach einem Zweikampf verletzt ausgewechselt werden musste, wurden die Zweikämpfe immer brutaler geführt. Ironischerweise lagen aber häufiger Spielerinnen im grünen Trikot jammernd auf dem Rasen als unsere Mädels. Als Schauspielerinnen im Fach Drama hätten sie alle einen Oscar verdient. Frech wie Oscar war dann schließlich noch Miss Sunday, als sie im deutschen 16er Linda Bresonik von hinten tätlich angriff, als von der Schiedsrichterin geklärt wurde, ob es jetzt Abstoß oder einen Eckstoß geben sollte. Allein dafür, dass LB sich gegen die – ich formuliere es mal ganz vorsichtig – stürmische Umarmung ihrer Kontrahentin zur Wehr setzte, wurde sie von der Koreanerin verwarnt. Miss Sunday wurde nicht mal böse angeschaut und machte direkt weiter mit ihren körperlichen Bedrängungen, als der Schuss aus dem Eck nahte. Während dieses Spielzugs wurde dann auch noch unsere Torfrau Nadine Angerer im 5m-Raum attackiert, wofür es – zumindest laut Regelwerk des DFB (Regel 12 – Verbotenes Spiel und unsportliches Betragen); vielleicht gelten in Nigeria andere Regeln und/oder die FIFA hat für die WM ganz neue Spielregeln erlassen, die außer der gestrigen Schiedsrichterin niemand bislang kennt – eine Strafe hätte geben müssen.
In der heißen Schlussphase war es dann auch nicht mehr möglich, LaOlas über die Ränge zu jagen. Jeweils begonnen im Eck zwischen Haupt- und Osttribüne lagen sie bereits auf der Gegentribüne im Sterben. Es war aber auch nahezu unerträglich, machtlos zusehen zu müssen, wie unsere Damen auf dem heiligen Rasen die Hucke vollkriegen und die Täter oftmals für ihre Frechheiten noch belohnt wurden. Wenigstens konnte die deutsche Mannschaft die Führung bis zum Abpfiff behaupten und das Spiel als Sieger beenden.
Das Beste an der nigerianischen Mannschaft waren übrigens ihre Anhänger: In der Kurve zwischen Gegen- und Westtribüne stand ein Häufchen grün-weiß gekleideter Fans, die über die gesamte Spieldauer lustige Musik machten. Das fand ich sehr sympathisch.
Weniger sympathisch fand ich hingegen die Kapitänin unserer Mannschaft. Einst DAS Idol des Frauenfußballs schlechthin erschien Birgit Prinz gestern irgendwie antriebsschwach und lethargisch. Ideenlos und ohne großartig sichtbare Motivation schleppte sie sich durch das Spiel, bis sie in der 53. Minute ausgewechselt wurde. Anschließend klatschte sie – sichtlich erregt im negativen Sinn – die Trainer und Mannschaftskolleginnen ab und saß dann mit mürrischer Miene auf der Bank. Schade, ich hatte mich so sehr gefreut, sie mal live spielen zu sehen. Ich hatte sie schon oft im Fernsehen gesehen und war immer schwer beeindruckt bis begeistert von dieser grandiosen Ballkünstlerin. Hoffen wir, dass sie gestern einfach nur schlecht drauf war und im nächsten Spiel wieder richtig rockt.
Ich hoffe ja sehr, dass die Damen am kommenden Dienstag gegen Frankreich gewinnen und dann auch das Viertelfinale für sich entscheiden. Dann sehe ich sie nämlich im Halbfinale am 13. Juli wieder im Frankfurter WM-Stadion. Ich freu mich jetzt schon drauf!

Montag, 27. Juni 2011

It’s raining, men!

(Das Komma habe ich ganz bewusst dahin gesetzt, wo es in der Überschrift steht!)
Wegen Blitzeinschlags war ich momentan am onlinesein gehindert, deshalb erscheint dieses Posting mit zweitägiger Verspätung.
Es regnet, es regnet, die Erde wird nass. Jawoll, es regnet. Wurde ja auch mal langsam Zeit. Hauptsache, es hat sich ausgeregnet, wenn morgen Abend die Fußballdamen die WM einläuten. Dann will ich technische Finesse auf dem Rasen sehen – weniger einen Wet-T-Shirt-Contest. Darum geht’s schließlich nicht beim Frauenfußball. Obwohl – wenn man so einigen Herren der Schöpfung zuhört, warten die (mehr oder weniger brav) 90 Minuten und die Halbzeitpause nur darauf, dass endlich mal die Spielerinnen auf die Idee kommen, es ihren Herren Kollegen gleich zu tun und die Trikots zu tauschen. Offensichtlich ist bei diesen Mannsbildern immer noch nicht durchgesickert, dass Frauenfußball ein ernst zu nehmender Sport ist, wo ordentlich Leistung gezeigt wird – selbst wenn die Damen nicht dermaßen fürstlich dafür belohnt werden wie ihre männlichen Kollegen.
„Frauenfußball WM 2011“ © Wolfgang Pfensig/pixelio.de

Das ist mal wirklich eine Schande: Ganz Deutschland diskutiert sich die Köpfe heiß und den Mund fusselig darüber, ob man Gleichberechtigung im Berufsleben wirklich leben kann, welche Voraussetzungen dafür notwendig sind und noch eingerichtet werden müssen und ob eine Frauenquote das Nonplusultra auf dem Weg dahin darstellt. Wenn aber die Frauen wirklich mal auf einem Gebiet mehr Leistung zeigen als die männlichen Counterparts, dann wird das elegant übergangen und man tut am besten so, als habe man es nicht bemerkt. Es kann doch nicht unter den Teppich gekehrt werden, dass die Mädels jetzt die Eroberung des dritten WM-Titels in Folge anstreben (das wäre dann der vierte WM-Titel überhaupt, also einer mehr als die Fußballherren hätten). Es darf auch nicht verschwiegen werden, dass die Frauen kaum von ihren „Profiverträgen“ leben– geschweige denn, sich ein Polster ansparen können, damit sie in der Lage sind, die Zeit nach der Profikarriere entspannt anzugehen und in Ruhe über den weiteren Berufsweg nachzudenken.
Umso interessanter ist allerdings die Tatsache, dass man weniger Schlagzeilen von Pleitegeiern unter ehemaligen Profisportlerinnen liest als von Ex-Sportlern. Liegt das vielleicht daran, dass die Damen weniger laut hinausposaunen, dass sie finanziell auf dem absteigenden Ast sind? Und bedeutet das – wenn man den Faden mal weiter spinnt –, dass möglicherweise die Frauen besser mit den ihnen zur Verfügung stehenden finanziellen Mitteln haushalten können oder aber – wenn sie denn wirklich in Geldnot sind – einfach weniger jammern und eher alles daran setzen, aus der Notlage herauszukommen (möglichst auch noch aus eigener Kraft)… Diese Gedankenflut muss ich erst mal einsickern lassen und genüsslich durchkauen.
Fassen wir also kurz zusammen:
1. Frauen verdienen bei mindestens gleicher Leistung dennoch weniger Geld.
2. Frauen gehen nicht so oft pleite wie Männer.
3. Wenn Frauen doch mal am finanziellen Abgrund stehen, gehen sie damit nicht an die Presse, sondern raffen sich wieder auf.
Jetzt bin ich vom Regen zwar nicht in die Traufe, aber irgendwie zu einem völlig anderen roten Faden gekommen. Kehren wir also noch einmal zurück zur Wetterlage – schließlich sagt man ja auch „warmer Regen“ zu einem Geldgewinn. Wenn die Damen also tatsächlich den Titel holen, dann wünsche ich ihnen einen ganz tollen, strömenden warmen Regen (also nur in finanzieller Sicht, nicht meteorologisch). Und wenn sie den Titel dieses Mal nicht holen sollten (andere dürfen schließlich auch mal), dann wünsche ich unseren Damen, dass die Fans sie nicht im Regen stehen lassen, sondern das Fußballsommerfest trotzdem ausgelassen und fröhlich feiern.

Dienstag, 14. Juni 2011

KinderGELD – ein etwas anderes Sparpotential für den Staat

Heute in allen Nachrichten: Es soll so viele Selbstständige Unternehmer geben, die ihr Einkommen mit Hartz IV aufstocken müssen, dass der Staat darüber nachdenkt, wie er diesen Ausgabenfluss stoppen kann. Irgendwoher kam plötzlich so ein Verdacht, dass es wohl schwarze Schafe gebe, die sich „arm rechnen“, um so vom Staat ihre Krankenversicherung, ihre Wohnung und/oder noch einen Teil des Bareinkommens finanzieren zu lassen.
Jetzt mal im Ernst: Ist das wirklich so neu? Es soll ja sogar Selbstständige geben, die sich arm rechnen, um unliebsamer Unterhaltspflichten gegenüber ihren Kindern und vielleicht sogar auch noch einer Exfrau zu entgehen… Seltsam nur, dass der Staat in solchen Fällen bislang immer nur – bildlich gesprochen – mit den Schultern gezuckt und bis zu sechs Jahre lang Unterhaltsvorschuss in Höhe des Mindestsatzes gemäß Düsseldorfer Tabelle gezahlt hat. Nach den sechs Jahren hat das Kind – und in dessen Vertretung der alleinerziehende Elternteil (meist die Mutter und Exfrau des Unterhaltspflichtigen) – finanziell in die Röhre geguckt.
Während die Mutter für jede Sonderausgabe bei diversen Stellen Klinken putzen, betteln gehen und alles Mögliche bei Beantragung von Sonderleistungen nachweisen musste, konnte sich der Selbstständige entspannt zurücklehnen: Seine Unterhaltspflicht bemaß sich schließlich an Hand seiner Steuererklärung aus zurückliegenden Jahren. Das aktuelle Einkommen war meist irrelevant – umso mehr, sofern eine Anfrage nach Offenlegung des Einkommens weniger als zwei Jahre zurücklag. So konnte der vermeintlich erfolglose Unternehmer den Segeltörn mit der niedlichen Sekretärin als Geschäftsreise verbuchen und den neuen Flatscreen dem Equipment für Videokonferenzen zuschlagen. Richtig gewiefte Unterhaltsverweigerer gehen noch einen Schritt weiter auf der nach unten offenen Peinlichkeitsskala: Sie schenken dem Nachwuchs zu Weihnachten einen Laptop, welcher selbstverständlich buchhalterisch dem Bürobestand zugerechnet wird. Mit diesem Schritt haben sie gleich mehrere Fliegen mit einer Klappe geschlagen:
  • dem Kind ein supertolles Geschenk gemacht;
  • bürobedingte Ausgaben generiert, was
  • den Gewinn des Unternehmens minimiert und damit konsequenterweise
  • das der Berechnung eines möglichen Unterhaltsanspruchs zu Grunde liegende Einkommen gemindert.
Das Kind durchschaut dieses Geflecht natürlich nicht, da es den Überblick nicht haben kann, sondern erfreut sich am neuen E-Spielzeug und hat keine Ahnung, dass es dieses Geschenk letztendlich selbst finanziert hat.
Die ehrlichen Unterhaltspflichtigen, die von sich aus auf die Unterhaltsberechtigten zukommen und über höhere Einkommen und damit auch höhere Unterhaltszahlungen informieren (und die Zahlungen dann einfach vornehmen), sind scheinbar in der Minderheit (ich freue mich über jede Zuschrift, die mich eines Besseren belehrt). Bei vielen Unterhaltspflichtigen – hauptsächlich Männern – sitzen einfach Verletzungen, die sich die Elternteile im Rahmen Trennung gegenseitig zugefügt haben, zu tief, als dass sie den Fokus ungetrübt auf die Belange (und in erster Linie das Wohl) der Kinder richten könnten. Sie sehen nur, dass sie den Unterhaltsbetrag auf ein Konto überweisen sollen, welches sich im „Hoheitsbereich“ der Ex befindet – und das verstellt automatisch den Blick auf das Wesentliche: Die Ex ist verpflichtet und meistenfalls auch in der Lage und ausschließlich daran interessiert, dieses Geld für Kindesangelegenheiten zu verwenden. Man(n) muss ihr in dieser Hinsicht ein Vertrauen entgegen bringen, was unter den gegebenen Umständen schwer fällt. Die Leidtragenden sind dann wieder die Kinder.
Es ist allerdings schon interessant, dass angesichts der angespannten Haushaltslage und der Verpflichtungen, die der deutsche Staat im Rahmen des Euro-Rettungsplans eingegangen ist, plötzlich das Augenmerk von staatlicher Seite auf die vermeintlichen Drückeberger fällt. Allerdings gehen die aktuellen Überlegungen einfach nicht weit genug: Man sieht nur ein konkretes Sparpotential, welches sich auf die Zuschüsse (Hartz IV) für die Selbstständigen beschränkt. Die weitergehenden Möglichkeiten, wonach der Staat sich auch jede Menge Unterhaltsvorschüsse an Kinder solcher Unterhaltsverweigerer sparen könnte, werden (zunächst) überhaupt nicht in Betracht gezogen. Man könnte meinen, es fiele niemandem auf, was da teilweise (leider viel zu oft) für Spielchen getrieben werden, damit einige Personen sich mehr oder weniger elegant – auf jeden Fall aber billig – aus der Affäre ziehen können und anderen – nämlich dem Staat und damit den ehrlichen Steuerzahlern – ihre Verpflichtungen aufbürden.
Ähnliche Beispiele des Sicharmrechnens gibt es auch auf dem Gebiet des Sozialleistungsbetrugs, wo Arbeitnehmer als geringfügig Beschäftigte angemeldet werden, damit sie sich die – im Normalfall höheren – (Regel-)Beiträge zur Sozialversicherung sparen können. Von Schwarzarbeit wollen wir hier mal gar nicht erst anfangen… Denen sind ja die Fahnder von Finanz- und Zollbehörden immer kräftig auf der Spur – oder auch nicht.
Wer – frage ich mich in diesem Zusammenhang – verfolgt eigentlich die Unterhalts(teil)verweigerer, wenn z.B. die Anspruchsberechtigten nicht in der Lage sind, dauernd vor Gericht um die Befriedigung ihrer Ansprüche zu kämpfen (wenn die Mutter beispielsweise einen Tick zu viel verdient, um Prozesskostenhilfe gewährt zu bekommen, aber dennoch das Geld für Gerichtskosten und Anwalt nicht mal eben auf der hohen Kante hat, sondern grade so über die Runden kommt)? Warum sperren sich die Behörden und speisen Hilfe suchende Mütter nicht selten ab mit den Worten: „Seien Sie doch froh, dass er überhaupt zahlt!“.
Bilde ich mir das nur ein oder werden Kinder und ihre Belange wirklich nicht wahr- und somit auch ernst genommen?

Mittwoch, 25. Mai 2011

Ich glaube, also spinn ich?

Eins vorweg: Ich bin kein besonders gläubiger Mensch. Ich glaube an die Wissenschaft und wissenschaftliche Beweise, an mein Bauchgefühl (davon hab ich – schon aus rein anatomischen Gründen – jede Menge) und die Tatsache, dass man sich immer zweimal im Leben trifft (jedenfalls meistens immer).

Da bislang weder ein Beweis für die Existenz Gottes noch für seine Nichtexistenz geliefert wurde, sehe ich mich außer Stande, reinen Gewissens und leichten Herzens einen Gottesdienst zu besuchen, inbrünstig mitzusingen und an religiösen Handlungen teilzunehmen. Anlässe, bei denen so etwas erwartet wird, rufen bei mir immer ein gewisses Unbehagen hervor. Einzige Ausnahme bildet der Kindergottesdienst mit Krippenspiel am Nachmittag des Heiligabends. Ich sehe darin eher eine Art Märchenstunde mit Kindertheater, woran im Anschluss man nach Hause geht und nach dem Kaffeetrinken direktamente das Abendessen und die Bescherung für die Kinder vorbereitet.

Schwieriger wird’s schon bei Hochzeiten in katholischen Kirchen: Das dauert immer ewig, man muss dauernd aufstehen, Köpfchen senken, Hände falten, alle murmeln vor sich hin, es gibt einen regelrechten Dialog zwischen dem Pfarrer und der Gemeinde, wobei nur die Textstellen (meist) einwandfrei verständlich sind, die der Pfarrer rezitiert – es sei denn, er spricht vom „Gebäck des Lebens“, wenn er eigentlich das Gepäck meint, wenn er das beschwerliche Leben eines Gemeindemitglieds darstellen mag; aber das nur nebenbei. Außerdem wird meist aus den Briefen des Paulus an die Korinther gelesen. Spätestens bei der dritten Hochzeit ist das dann nicht mehr spannend, sondern regelrecht einschläfernd. Hat man sich dann damit abgefunden, dass auch bei diesem Gottesdienst keine bahnbrechend neuen Texte gegeben werden, wird man jäh aufgeschreckt, weil wieder alle aufstehen und fürchterlich schief singen. Im Film ist das immer ganz charmant: Die Gemeinde singt schön und nur einer – meist einer der Hauptdarsteller oder wenigstens eine verhältnismäßig wichtige Nebenfigur – brummt oder quäkt schräg neben der eigentlichen Harmonie. Im real life ist der akustische Rahmen doch eher breit gefächert: Jeder scheint sein eigenes Liedchen zu zwitschern – und dann auch jeder in einer ganz eigenen Tonart und seinem speziellen Tempo. Das ist spätestens beim zweiten Mal nicht mal mehr ansatzweise lustig.

Insofern fand ich die Hochzeit meiner Freundin Juliane ganz prima: Die Trauung fand in einer historischen Dorfkirche statt, dauerte nur eine Stunde und es wurde nicht von der ganzen Gemeinde gesungen. Stattdessen bot eine Solistin das Ave Maria von Schubert dar, dass es einem fast das Herz zerriss. Es gibt ja so Lieder, bei denen man automatisch Pipi in die Augen bekommt, auch wenn man den Text gar nicht versteht. Ich könnte zum Beispiel jedes Mal Rotz und Wasser heulen, wenn ich Luciano Pavarotti Nessun dorma singen höre – einfach ergreifend! Aber zurück zu glauben oder nicht glauben und den Folgen davon: Neulich ging ich zu einer Beerdigung eines katholischen Gemeindemitglieds. Ich war zunächst überrascht, am Tor zur Trauerhalle ein Schild vorzufinden, auf dem darum gebeten wurde, von Kondolenzbekundungen abzusehen. Im Eingangsbereich lag ein Kondolenzbuch aus, in welches sich jeder Trauergast – also auch ich mich – eintrug. Anschließend ging man an den Stuhlreihen vorüber zum Sarg, der in der Mitte des vorderen Bereiches aufgebaut war. Um den Sarg herum lagen bereits Kränze und Gestecke; davor stand eine Schale mit Weihwasser und einem Silberdings (ich weiß halt nicht, wie man das nennt… Klöppel vielleicht?) darin. Jeder stand einen Moment vor dem Sarg, nahm den – ich nenn’s jetzt einfach mal so – Silberklöppel aus dem Weihwasser und besprengte damit den Sarg. Um nicht weiter aufzufallen, hab ich das dann auch gemacht und anschließend mein Blumengesteck zu den anderen Gebinden abgelegt. Auf das Sichbekreuzigen habe ich allerdings verzichtet.

Bereits während ich mir anschließend einen Platz suchte, fühlte ich mich seltsam: Hätte ich das mit dem Weihwasser überhaupt machen dürfen? Schließlich glaube ich nicht an Gott, dem zu Folge auch nicht daran, dass Jesus dessen Sohn ist, der die Sünden der Menschheit auf sich genommen hat und durch seinen Tod und die anschließende Auferstehung Hoffnung bringt. Insofern habe ich eine Handlung vollzogen, die – in meinen Augen – ausschließlich von Leuten vollzogen werden dürfte, die einen Sinn darin sehen und wirklich glauben, dass diese Tat etwas (was auch immer) „bringt“. Anyway, ich muss jetzt damit leben, dass ich vielleicht eine „Sünde“ begangen habe – zumindest in den Augen derjenigen, die sich von diesem Fehltritt auf den Schlips getreten fühlen. Das macht die Sache aber nicht leichter für mich: Ich bemühe mich, jedem Menschen Respekt entgegen zu bringen und Verständnis für seinen Glauben zu entwickeln. Das darf ich dann aber durch solch unüberlegte Handlungen, die ich nur vornehme, „weil man das so macht“ oder „weil alle das so machen“, nicht beschmutzen. Schließlich fordere ich für meine Geisteshaltung ebenfalls Respekt ein und möchte nicht bekehrt oder missioniert werden.

Ich finde zwar einiges höchst befremdlich, was unter dem Vorwand des Glaubens so alles passiert, und es ist bestimmt auch nicht alles vom Glauben gerechtfertigt, was so in der Welt passiert. Aber ich werd's wohl kaum ändern können. Aber ich bin auch nicht gezwungen, mich aktiv daran zu beteiligen. Vermutlich habe ich kein Kapitalverbrechen dadurch begangen, dass ich einen Sarg mit Weihwasser besprengt habe. Aber ich sehe einfach keinen Sinn darin, zumal ich die „Heiligkeit“ des Weihwassers an sich schon in Frage stelle (mal ganz davon abgesehen, wodurch das Weihwasser denn nun heilig wird oder nicht, bin ich spätestens seit diversen Lausbubenfilmen davon überzeugt, dass man eben nicht automatisierte Handlungen vollziehen sollte, ohne sich vorher eingehend davon überzeugt zu haben, was man sich da so ins Gesicht und an die Kleidung schmiert, ohne anschließend im Wortsinne angeschmiert zu sein).

Insofern habe ich eine – in meinen Augen – unnütze Handlung vollbracht, bei der jedoch wenigstens niemand zu Schaden gekommen ist. Allerdings gibt es religiöse Riten, die sehr wohl auch körperlichen Schaden anrichten können: Ich musste mich schon arg beherrschen, um nicht lautstark röchelnderweise die Halle zu verlassen, als der Pfarrer mit Weihrauch bewaffnet die Halle betrat und die Luft mit Weihrauch„duft“ schwängerte. Meine Atmung funktionierte nur noch ganz flach und mir traten Tränen in die Augen – einerseits, weil jemand gestorben war, den ich vermissen würde, andererseits aber eben auch, weil ich kaum noch Luft bekam und mir die Augen brannten. In Zukunft muss ich mir wohl eingehender überlegen, an welchen Veranstaltungen ich teilnehme und welche ich eher meiden werde.

Ich glaube ganz fest, dass ich das schaffe – Gott sei Dank ist unsere Familie nämlich generell eher nicht religiös geprägt, so dass die Anlässe, einen Gottesdienst besuchen zu müssen, in überschaubarer Zahl bleiben dürften!

Sonntag, 8. Mai 2011

Ein Adler geht baden

Seit gestern steht es nun fast unverrückbar fest: Die stolze Eintracht wird zum Saisonende in die zweite Bundesliga absteigen. Hochmut kommt ja bekanntlich vor dem Fall und so ist es nur wenig verwunderlich, dass eine Mannschaft, die kurz vor Saisonende noch den Trainer gewechselt und trotz hervorragender Jugendarbeit teure „Stars“ verpflichtet hat, sich auf den Weg in die Zweitklassigkeit begeben muss. Die Verpflichtung eines Trainers Daum, der nicht nur als „Schneemann“ und Profikokser, sondern durchaus durch seine Qualifikation als Toptrainer von sich reden gemacht hatte, war da wohl eher eine Verzweiflungstat denn wohl überlegte Taktik. Neue Besen kehren gut – jedoch nur, wenn die Person, die den Besen führt, auch weiß, was sie tut. Offensichtlich weiß man allerdings bei der Eintracht kaum mehr ein noch aus. Auf eine grandiose Hinrunde folgte eine beispiellose Rückrunde, in der die Mannschaft bis heute rekordverdächtige acht Punkte holte. Es soll sich dabei um das schlechteste Bundesligarückrundenergebnis aller Zeiten (und aller Mannschaften) handeln. Die Eintracht ist also immer noch für Spitzenleistungen gut – wenn auch in negativer Hinsicht.

Satire per Merchandising: Der Badeadler
Wer ist eigentlich auf die Idee gekommen, teure Brasilianer, Griechen und andere Fußballpromis einzukaufen, wenn aus der eigenen Jugendarbeit exzellente Talente hervorgehen, die für nicht großartig nennenswerte Beträge ins Ausland verkauft werden? Wäre es nicht sinnvoller, diesen jungen, hungrigen Sportlern in ihrem Heimatverein eine Chance zu geben? Das würde nicht nur die Transferkostenbilanz aufhübschen, sondern sich sicherlich auch in geringeren monatlichen Gehaltszahlungen an die Spieler niederschlagen und dem Verein somit finanziellen Spielraum für etwaige Notsituationen gewähren. Es hat schon was, wenn man sich mal an Dragoslav Stepanovics Worte erinnert: „Die Mannschaft ist der Star“. In einer Parodie hat Dragoslach Steppanowitz diesen Spruch abgewandelt in: „Die Mannschaft hat den Star und zwar den grauen!“ Diese Vermutung drängt sich einem auf, wenn man beobachtet, dass oftmals nicht einmal in die richtige Richtung gespielt wird – ganz zu schweigen davon, wie oft der Ball am Tor vorbeifliegt. Das in der Landbevölkerung bekannte Gleichnis von einem, der „auf drei Meter kein Scheunentor“ trifft, kann derzeit auf ein Wort reduziert werden: „Eintrachtstürmer“. Es ist unglaublich, wie lange die Mannschaft seit Beginn der Rückrunde der Saison 2010/11 torlos war und wie wenige Tore sie in der Rückrunde insgesamt erzielt hat.
Wenn nun also die Eintracht ab Sommer in der zweiten Liga spielt, kann man nur hoffen, dass der Adler sich nicht in einen Pleitegeier verwandelt. Man muss schließlich mit geringeren Einnahmen rechnen, wenn man nicht mehr ganz vorne dabei ist. Die Ausgaben könnten durch den – weiter oben bereits beschriebenen – Einsatz von Nachwuchsspielern aus der eigenen Jugendarbeit reduziert werden. Aber vielleicht haben die Verantwortlichen in ihrer aktiven Zeit den einen oder anderen Kopfball zu viel gedroschen und dadurch möglicherweise einen Teil des logischen Denkvermögens eingebüßt.
Trauer, Entsetzen und Verzweiflung machen sich unter den Fans breit. Das darf jedoch nicht als Entschuldigung für gewalttätige Ausschreitungen dienen, die sich gegen die gegnerischen Fans, die Sicherheitskräfte und sogar die eigene Mannschaft und den Trainer richten. Wer in Fanbekleidung prügelt, dem ging bzw. geht es doch gar nicht um das Spiel an sich. Im Gegenteil – solche Chaoten ziehen den Ruf aller Fußballfans in den Dreck. Sobald man sich „outet“, dass man Fußball mag und vielleicht sogar einer bestimmten Mannschaft die Daumen drückt, wird man sofort als hirnloser Idiot abgestempelt, der nichts außer Biersaufen, Gegröle und Prügeleien im Sinn habe. Kleine verbale Reibereien zwischen den Anhängern verschiedener Mannschaften gehören zum guten Ton und machen (normalerweise) auch richtig Spaß. Sie sind Bestandteil von Fachsimpelei, die sich nicht nur auf Verbalattacken gegen Spieler und Trainer sowie Fans der gegnerischen Mannschaft beschränkt, sondern auch mit Strategie, Taktik und Technik des Spiels beschäftigt (von Vereinspolitik mal abgesehen, das ist schließlich nicht jedermanns Sache). Verbale und sonstige Entgleisungen hingegen sind nicht mit der Ausrede, man sei Fan und das gehöre sich schließlich so, zu rechtfertigen.
Einige unverbesserliche Optimisten träumen zwar noch vom Hauch der Chance, dass die Eintracht kommende Woche gegen Dortmund gewinnen könnte und gleichzeitig Mönchengladbach mit fliegenden Fahnen untergeht und verliert. Dann – aber auch nur dann (und die Wahrscheinlichkeit ist verschwindend gering) – stünde die Eintracht auf dem Relegationsplatz und hätte noch eine weitere letzte Chance auf den Klassenerhalt. Wäre es aber nicht ehrlicher, die Mannschaft stiege ab und verdiente sich nach harter Aufbauarbeit den Wiederaufstieg, nachdem die Vereinsführung endlich (ein)gesehen hat, welche Talente sie in ihren Reihen schon besitzt, und diese auch zum Einsatz kämen? Die Hoffnung stirbt zuletzt und der Abstieg ist zwar bitter, aber eben offensichtlich auch bitter notwendig, damit alle Beteiligten ihre Hausaufgaben machen können. Man möchte Heribert Bruchhagen zurufen: „Lass die für die erste Liga verpflichteten, notorischen Arbeitsverweigerer ziehen und konzentriere Dich auf engagierte Jungs, die für den Erfolg auch wirklich ackern wollen!“ Ob er das aber hören möchte bzw. auch nur einen Pfifferling auf die Einwände von Laienzuschauern gibt? Man weiß es nicht und kann höchstens spekulieren, ob der Laienzuschauer auch nur Laien zuschauen darf. Das wäre ja dann auch mal Konsequenz in der Umsetzung…

Sonntag, 1. Mai 2011

Bitte warten!

Ein Arztbesuch kann so Manches sein – beängstigend, beruhigend, informativ (auf jeden Fall), erlösend, belastend – aber auch extrem erheiternd. Dazu muss man allerdings mit der richtigen Einstellung in die Praxis gehen. Im Wartezimmer spielen sich Szenen ab, die mit etablierten Comedyshows durchaus mithalten können – wenn man sich darauf einlässt und mit offenen Augen und Ohren und auch aufnahmebereitem Geruchssinn die Wartezeit verbringt.
Seitdem bei mir eine Allergie auf Duftstoffe und Aromen festgestellt wurde, gehe ich nahezu parfümfrei durchs Leben. Umso stärker empfinde ich die mich umgebenden Düfte, was manchmal auch zur wahren Belastungsprobe ausartet. Ich bin nämlich obendrein auch noch Asthmatiker und manche Aromen schnüren mir im wahren Wortsinne die Luft ab.
Nachdem ich z.B. im zarten Alter von 18 Jahren ein wahrer Fan des Duftes „Trésor“ von Lancôme war, ist es ziemlich verwirrend, dass genau dieser Duft quasi gar nicht mehr geht. Sobald er mir auch nur in Feinstpartikeln in die Nase gerät, bekomme ich regelrecht Zustände, muss flach atmen, um nicht zu viel davon in die Bronchien zu bekommen, und bin erlöst, sobald entweder ich oder die Duftträgerin den gemeinsamen Raum verlässt. Auch sehr „männliche“ Düfte sind mir oftmals unerträglich. Es kommt eben immer auf die Inhaltsstoffe und – nicht zu vergessen – auch die Dosierung und somit Konzentration des Duftes an.
Im Wartezimmer der ortsansässigen Arztpraxis nun traf es sich, dass ich den kompletten Rundumschlag „genießen“ durfte: Zunächst nahm rechts neben mir eine ältere Dame Platz, die in Gedenken an ihren (vielleicht verstorbenen) Gatten scheinbar in dessen Rasierwasser gebadet hatte. Also flach atmen, das geht schon irgendwie. Dann betrat ein Angehöriger der Dorfprominenz den Raum und setzte sich auf den freien Stuhl zu meiner Linken. Dezentes After Shave war ganz ok, doch wusste ich bis dahin noch gar nicht, dass dieser Mensch rauchte. Nicht, dass mich das etwas anginge, aber gestört hat’s mich in diesem Moment schon arg. Ich war also gefangen zwischen Qualm und Männerparfum.
Man mag jetzt denken, dass damit doch Werbeklischees en masse erfüllt wurden und ich mich hätte glücklich schätzen dürfen. Aber mal ehrlich: Wer die Axe-Werbekampagne entwickelt hat, in der die Massen von jungen Frauen einen Typen verfolgen, der sich mit dem Duft „verfolgmich“ besprüht hatte, gehört heute noch ausgepeitscht und täglich in diesem Duftwasser gebadet, damit er sich vom durchSCHLAGENden Erfolg seiner Idee selbst immer wieder überzeugen kann. Ich würde am liebsten wegrennen, sobald mir diese künstlichen Gerüche in die Quere kommen. Das ist allerdings nicht immer möglich: Mein pubertierender Sohn hat mittlerweile die wunderbare Welt der Drogerie-Parfumabteilung für sich entdeckt und probiert verschiedenste Düfte sehr gerne und deren Wirkung aufs andere Geschlecht – meiner bescheidenen Meinung nach – exzessiv aus.
Unter uns: Stinkesocken und Schwitzeshirts sind nicht angenehm. Aber dieses regelrechte Einwickeln in artifizielle Wohlgerüche wird doch überbewertet. Einfach mal waschen und ein Deo unter die Achseln, damit der Entstehung des Schweißes teilweise vorgebeugt und das bakterielle Zersetzen des Schweißes (wodurch überhaupt erst der unangenehme Körpergeruch entsteht) verzögert wird. Es kann so einfach sein…
Der Gipfel war schließlich erreicht, nachdem der rauchende parfümierte Dorfpromi den Platz geräumt hatte, als sich eine ältere Frau dort niederließ, die offenbar in „Trésor“ gebadet hatte, was jedoch nicht die übrigen Körperdüfte verdecken konnte, die diese Person verströmte. Ich ertrug die Pein, indem ich mir ausmalte, was z.B. Ingo Appelt oder Hape Kerkeling aus der Erfahrung einer solchen Situation machen würden. Das war dann wirklich lustig und ich konnte ein breites Schmunzeln nur mit Mühe unterdrücken.
Ich bin zwar – wie vermutlich jeder Mensch – immer ganz froh, wenn ich endlich aufgerufen werde und die Wartezeit ein Ende hat. Mal ehrlich: Wer wartet schließlich schon gerne? Abgesehen davon wollte ich endlich ein klärendes Gespräch mit meinem Arzt führen; ich war also sowieso schon etwas ungeduldig gewesen. Aber dieses Mal war der Aufruf meines Namens die wahre Erlösung! Triumphierenden Blicks und erhobenen Hauptes erhob ich mich von meinem Platz der olfaktorischen Qualen und schritt am Empfangsbereich vorbei. Dabei registrierte ich schon den nächsten Angriff auf die Geruchsnerven der im Wartezimmer befindlichen Patienten, der mir nun erspart bleiben würde. Im Sprechzimmer dann empfing mich mein Arzt, der glücklicherweise offenbar mit guter Körperhygiene nicht unbedingt das Übertünchen des natürlichen Körpergeruchs mittels diverser Duftwässerchen gleichsetzt.
Der Gute!

Dienstag, 26. April 2011

Von und zu auf und davon

Wie geht’s eigentlich dem deutschen Adel? Offensichtlich gar nicht gut, denn was man so hört, sieht und liest, lässt Arges vermuten.
So hat sich am vergangenen Wochenende ein Paar derer zu Ichweißauchnichtmehrgenauwiediehießen im Boulevardfernsehen dermaßen blamiert, dass selbst bei mir – und ich bin da eigentlich eher wenig zimperlich – der Fremdschämfaktor ins Unermessliche stieg. Ein Baron und seine Frau gewährten Einblicke in ihr Privatleben, was heutzutage kaum noch etwas wirklich Neues ist. Ohne die so genannten Home Stories und intimen Geheimnisse der High Society könnte der bunte Blätterwald wohl kaum existieren, geschweige denn gefühlt alle Vierteljahre sich verdoppeln. Aber das nur am Rande und wieder zurück zum Paar des Wochenendes:
Der Herr Baron hatte einen äußerst seltsamen Vornamen, was bei Freiherren aber nicht weiter verwunderlich ist. Seine Herzensdame lieferte die schöne Unterzeile „Baronin Giulia von …“ – was vermuten lässt, dass sie vor ihrer Hochzeit Julia oder maximal Juliane hieß, da sie einst dem schnöden Bürgertum entsprang. Ihre gemeine – im Sinne von gewöhnliche – Herkunft blitzte dann auch anfangs ab und zu mal durch, um im Verlauf des Beitrags schließlich doch alles zu überstrahlen, was ihr werter Herr Gemahl dann noch an adeliger Vornehmheit und Zurückhaltung aufrecht zu halten versuchte. Zum Beispiel folgte auf die Frage, wie viele Zimmer das herrschaftliche Schloss biete, die Antwort: „Ach, vierzig oder fünfzig. Das weiß ich nicht so genau. Ich habe sie nie gezählt, sie sind ja immer einfach nur da.“ Dieses zur Schau gestellte Unwissen mag zunächst treuherzig wirken, klingt aber unglaublich überheblich und blasiert nach und hinterlässt einen schalen Beigeschmack.
Auch kaum zu fassen ist das triumphierende Lächeln, wenn die holde Freifrau zum Besten gibt, dass zunächst die Eltern des Gemahls gemeinsam mit dem jungen Brautpaar das Schloss bewohnt hatten, bevor die Schwiegereltern dann auszogen, jawohl! Dabei wird das Kinn in die Höhe gereckt und der errungene Sieg in Gedanken noch einmal so richtig gefeiert. Der junge Baron (welcher mittlerweile auch etwa bei Mitte Vierzig liegen dürfte) indes schweigt und schaut leicht betreten in eine andere Richtung. Die Wirkung dieses Blicks wird noch verstärkt durch das Arrangement der beiden auf einer Chaiselongue (bzw. einem Sofa), wobei sie ihre Sitzposition dadurch erhöht, dass sie ein Bein untergeschlagen hat und sich auf der Schulter ihres Gatten mit dem Ellbogen abstützt.
Wer in dieser Ehe und auf dem Schloss das Sagen hat, dürfte damit endgültig klar sein. Doch wird noch einmal die Position der Herr(scher)in betont, wenn sie im Sattel eines edlen Reittieres (das Pferd war wirklich schön) sitzend dem Hauspersonal Anweisungen erteilt. Der Hintergrundsprecher betont dann auch noch einmal ausdrücklich, die Baronin habe darauf bestanden, dass diese Szene so aufgenommen würde. Der Herr Baron wird dann noch befragt, wer bei gelegentlichen Unstimmigkeiten oder auch mal einem Streit nachgeben und wer sich durchsetzen würde. Die Antwort war zwar zunächst diplomatisch angelegt, kam aber letzten Endes als Eingeständnis des Unvermögens an, sich mal gegen seine Frau durchzusetzen.
Abseits davon regt sich seine Frau in der Zwischenzeit künstlich darüber auf, dass man Personal, insbesondere wenn es sich nicht um das eigene, sondern um das von Fremdfirmen handelte, ständig überwachen müsse. So seien beide täglich auf der Baustelle für die neue Reithalle, deren Genehmigung zunächst von der Gemeinde beinahe vereitelt worden wäre, wogegen man sich aber erfolgreich zur Wehr gesetzt habe. Überhaupt sei es einfach so schlimm, dass in Deutschland der Neid so verbreitet sei. Aber es sei eigentlich doch der ehrlichste Lohn, wenn man beneidet würde.
„Dann wander doch aus“, ist man geneigt, ihr zuzurufen – ich erschrecke, als ich mich dabei ertappe, diese Worte laut ausgesprochen zu haben. Versöhnt stimmt mich die Tatsache, dass der Kommentator sich einer gewissen Ironie ebenfalls nicht zu verschließen vermag. Ich glaube fast, der Herr Baron hat die feinen Nadelstiche gespürt, seine Gattin dagegen sonnt sich in ihrem Titel und ihren Standesdünkel: Sie hat’s geschafft! Ich drücke ihm die Daumen, dass er das entweder weiterhin stoisch erträgt oder aber irgendwann mal die Reißleine der Vernunft zieht. Was auch geschieht, hoffentlich wird das Boulevardfernsehen wieder dabei sein und uns daran teilhaben lassen.
Ich bin offensichtlich angefixt. Sollte ich Risiken und Nebenwirkungen an mir entdecken, werde ich darüber berichten. In diesem Sinne: Freuen wir uns doch einfach schon jetzt auf brandneue Enthüllungen aus dem Leben der von und zu Schnarchburg-Nippes, Schaumschlag-Dippe und wie sie alle heißen mögen!

Freitag, 8. April 2011

Schuhe und Konfliktfreude

Es gibt so viele Ratgeber dazu, wie Frauen in Verhandlungen eher das durchsetzen, was sie möchten, anstatt klein beizugeben. Dabei fallen dann immer wieder so Bemerkungen wie: Frauen sind konfliktscheu. Aargh – da bekomme ich sofort Stresspusteln, wenn ich so etwas höre. 

Haben Sie mal Frauen im Schuhgeschäft beobachtet? Wie sie (gefühlt) stundenlang um ein Regal herumschleichen, dabei möglichst unauffällig nach links und rechts äugen, um zu kontrollieren, ob auch ja keine Rivalin auf dasselbe Paar Traumschuhe ein Auge geworfen haben könnte, die es dann – souverän – auszubremsen gilt... Das ist ein wahres Schauspiel und besser als jede Tierdokumentation. Wenn Sie in Bernhard Grzimeks „Serengeti darf nicht sterben“ sehen konnten, wie eine Löwin ihr Junges verteidigt, so ist deren Gebaren nichts gegen das frauliche Verteidigen eines Paars wundervoller Stillettos, die farblich ideal abgestimmt sind auf das Handtäschchen im nächsten Regal. 

Meistens wissen wir Frauen ja nicht einmal, zu welcher Oberbekleidung wir genau diese Schuhe tragen werden. Aber wenn sie doch so schön sind, wird sich schon etwas dazu finden. Im Not- bzw. Zweifelsfall wird eben noch etwas dazu gekauft. Das müssen einen die edlen Teile schon wert sein. 

Um aber den Bogen zum Eingangssatz zu spannen, komme ich noch einmal auf die Verhandlung zurück: Aktuell wird wieder viel darüber berichtet, dass Frauen weniger Lohn für gleiche Arbeit als ihre männlichen Kollegen bekommen. Ein Grund, der hierfür gerne angeführt wird, ist die schon eingangs beschriebene Konfliktscheue und das zu schnelle Kleinbeigeben. In einer kürzlich geführten Diskussion meinte jemand scherzhaft, Frauen sollten sich in Schuhen bezahlen lassen und das auch in den Gehaltsverhandlungen zum Ausdruck bringen. 
Doch Obacht - auch hierbei gibt es Stolperfallen: Wenn ich nämlich meinem künftigen Chef vorschlage, dass er meine Arbeitsleistung für ein Jahresgehalt von 366 Paar Bruttojahresschuhen erkaufen kann, dann sagt das noch gar nichts über die tatsächliche Höhe des Salärs aus - und damit meine ich nicht die Höhe der Absätze meiner Bruttojahresschuhe, sondern deren finanziellen Gegenwert. Schließlich entsprechen 366 Paar Converse Chucks auch nicht ansatzweise 366 Paar Manolo Blahniks – weder im Aussehen noch im Wert. 

Allerdings habe ich schon erleben dürfen, wie sich zwei Kundinnen in einem Kaufhaus mit integrierter Schuhabteilung um ein paar Chucks nonverbal gezankt haben, weil in der von beiden Damen gewünschten Farbe und Größe nur noch ein einziges Paar vorhanden war. Ich habe schon insgeheim darauf gewartet, wann eine der beiden ihre Krallen katzenmäßig ausfährt und der anderen das Gesicht zerkratzt. Die finsteren Blicke haben jedenfalls keinen Zweifel daran gelassen, dass genau das die Absicht beider Frauen war und sie es sogar ein bisschen bedauerten, physiologisch nicht zum Krallenausfahren in der Lage zu sein. Abgesehen davon haben sie ihren Eiertanz um das Paar Schuhe dermaßen unprofessionell geführt, dass am Ende ich die Objekte der Begierde mein eigen nennen konnte und das kam so: 
Chucks © ARTill / PIXELIO
Kundin A hat den linken Schuh aus der Verpackung genommen und von hinten bis vorne beäugt. Kundin B sucht noch die gesamte Palette nach einem weiteren Paar cappuccinobrauner halbhoher Chucks in Größe 39 und stellt fest, dass das einzige Paar dieser Farbe in dieser Größe gerade zur Hälfte in den Händen von Kundin A liegt. Also geht sie in Lauerstellung: Dabei umkreist sie Kundin A in immer enger werdenden Spiralen und lässt den Schuh nicht aus den Augen. Kundin A bekommt das natürlich mit und gerät ein bisschen in Zugzwang: Soll sie sich dieses Paar Schuhe nun kaufen oder nicht? Wozu würde sie es anziehen wollen? Vielleicht denkt sie auch an den Kaufpreis und darüber nach, ob sie sich dieses Paar Schuhe überhaupt leisten kann. Der Schuh wiegt dabei sanft in ihrer Hand, der Blick ist leicht entrückt, während Kundin B der Schachtel mit dem rechten Schuh verdächtig nahe kommt. Schwupps, gerade noch rechtzeitig ist Kundin A aus ihrer Trance erwacht und hat sich mit einem geschickten Griff des Kartons bemächtigt. Sie legt den linken Schuh hinein, legt den Karton in ihren Korb und setzt ihren Einkauf fort. Kundin B ist enttäuscht darüber, dass A schneller war, und gibt sich nach relativ kurzer Zeit mit einem Paar taupefarbenen Chucks zufrieden; allerdings nicht ohne darüber zu jammern, dass die braunen Schuhe doch so gut zu dieser und jener Hose und diesem und jenem Shirt gepasst hätten, und auch nicht ohne sich selbst mehrfach darüber zu versichern, die taupefarbenen Schuhe wären auch sehr schön (sie war in Begleitung einer anderen Frau – vielleicht ihre Schwester oder Freundin, aber as tut nichts zur Sache). 

Mit Highheels kommt man flach raus
© Essenia Deva / PIXELIO
Irgendwann im Laufe des Einkaufs hat sich Kundin A jedoch dazu entschlossen, die Cappuccinoschlappen nicht zu kaufen, und hat sie – statt sie wieder ordentlich dort abzustellen, wo sie sie hergeholt hatte - in einem Regal mit Kinderbüchern abgelegt. Ich muss wohl kurz nach ihr an diesem Regal vorbeigekommen sein, denn da lagen sie – die vorher so heiß umkämpften Schuhe, die ich ja eigentlich auch kaufen wollte (aber ich mochte mich nicht in den Kampf darum einmischen). Ich war also die lachende Dritte, nachdem sich zwei gestritten haben. Ich schwelgte förmlich in Konfliktfreude – also in Freude über den Konflikt, den andere für mich entschieden hatten und aus dem ich meinen Nutzen ziehen konnte. 


Ob ich um Manolos kämpfen würde? Vermutlich nicht – ich kann in hochhackigen Pumps nämlich nicht laufen, und nur zum „Habenwollen“ und Anschauen sind sie mir einfach zu teuer. Aber wenn ich ehrlich bin: Es sieht schon toll aus, wenn eine Frau Highheels trägt – allerdings nur, wenn sie sich darin auch vernünftig bewegen kann. Leider erlebt man ja nur allzu häufig das Gegenteil – doch das ist ein anderes Thema...

Donnerstag, 7. April 2011

Sven

Kennt jemand den IKEA-Designer Sven Brødersson? Ist auch sehr schwer möglich: Es handelt sich dabei nämlich um den (noch?) imaginären Künstlernamen, den ich für meinen Lebensgefährten ausgewählt habe. Aber mal von Anfang an:

Wir waren am Wochenende bei Freunden und haben uns über Wohnungseinrichtung, Deko-Ideen und die neue IKEA-Werbung unterhalten. Die Werbung, wo eine Familie in einer leeren Wohnung wohnt, in der die Möbelstücke durch Klebeband auf dem Boden angedeutet sind. Schließlich ließ mein Lebensgefährte die Bemerkung fallen, IKEA hätte ja auch nicht wirklich neue Ideen, das sei doch alles irgendwie schon mal dagewesen und er könnte das alles auch.


Blauer Stuhl © Elheim / PIXELIO
 Ich bin immer leicht genervt, wenn jemand (und dann auch noch mein Lebensgefährte!) ständig darauf herumpocht, dass alles Mögliche schon mal da war und keiner mehr neue Ideen hätte. Sich beschweren kann ja irgendwie jeder – soll doch mal jemand was wirklich Neues erfinden! Idealerweise müsste die Idee dann aber auch mal zu Tage gefördert und dann möglichst rasch dem breiten Publikum bekannt gemacht werden.
Eine verpasste Gelegenheit, eine wirklich gute Idee in bare Münze umzuwandeln, hatten wir ja schon in diesem Jahr: Eine Trinkflasche für Hunde für unterwegs. Wir haben einen Hund, den wir sehr lieben. Also sorgen wir auch selbstverständlich gerne für sein Wohl. Dazu gehört, dass wir immer Wasser für ihn dabei haben, wenn wir bei sommerlichen Temperaturen mit ihm unterwegs sind. Wir haben ihm beigebracht, aus Sportflaschen zu trinken. Es gibt ja mittlerweile überall isotonische oder auch andere Getränke aus PET-Flaschen mit „Schnuddel“ (wie heißt der Verschluss eigentlich, den man zum Trinken herauszieht und mit dem man durch Herunterdrücken die Flasche wieder dicht verschließt?). Eine solche Flasche haben wir geleert, mit Leitungswasser gefüllt und mit dem Namen unseres Hundes beschriftet, nicht dass noch aus Versehen eines der Kinder aus der Hundeflasche trinkt.

Irgendwann sagte mein Lebensgefährte, dass man das bestimmt auch vermarkten könne. Wir haben also ein bisschen gesponnen, mit möglichen Markennamen jongliert und uns auch über die Farbe des Etiketts geplaudert. Keine vier Wochen später stand dann bei einem Discounter mit vier Buchstaben ein Hunde-Unterwegs-Set mit genau so einer Flasche (und noch einer Art zweckentfremdeter Frühstücksbox), auf der ein Hundeschatten abgebildet war. Was haben wir gestaunt, uns ein bisschen geärgert, aber trotzdem noch gelacht darüber, dass wir offensichtlich sehr nah am Zeitgeist sind.

Zurück zum vergangenen Wochenende: Als mein Lebensgefährte dann so richtig vom Leder zog und erzählte, was er denn alles so gestalten würde und wie das dann aussähe, habe ich ihm vorgeschlagen, diese Ideen doch mal zu Papier zu bringen und ggf. ein Modell davon zu basteln. Ich würde das dann für ihn unter dem Namen Sven Brødersson an IKEA senden. Dann könnte er seine Ideen so richtig ausleben und käme er ganz groß raus. Unter seinem bürgerlichen Namen hätte er vermutlich keine Chance – zumindest nicht bei IKEA; die heißen dort doch alle irgendwie Mats Ingverson, Jan Svenström oder so – schließlich muss das schwedische Flair belebt werden.

Wenn Sie also mal was von Sven Brødersson entdecken sollten – denken Sie bitte an mich.
Vielen Dank!

Wichtig, wichtig! - Momentaufnahmen aus der Mittagspause

Da geht man einmal zur Mittagspause in einen Kaffeeladen, der das Image „stylish, hipp & in“ irgendwann mal hatte, aber mittlerweile nur noch überteuert ist, ein in der Zwischenzeit auch langweiliges Angebot präsentiert und auch nur teilweise gemütlich möbliert ist. Aber bitteschön - manchmal muss das schon sein. Ein guter halber Liter Milchkaffee für umgerechnet 10 Mark für mich, einen doppelten Espresso, der nicht einmal wirklich gut schmeckte, für meine Begleitung - jetzt sind wir für mindestens ein halbes Jahr wieder geläutert.

Als wir eintraten, war natürlich keine der gemütlichen Sesselgruppen mehr frei und so nahmen meine Begleitung und ich im Obergeschoss an einem kleinen Tisch vor dem Eckfenster Platz. Wir hatten quasi einen Rundumblick: in zweieinhalb Richtungen aus den Fenstern und jeder von uns noch einmal in eine Richtung des Raumes. Da gab es dann wirklich jede Menge zu sehen: schöne Dinge genauso wie wunderlich Anmutendes. Aber der Reihe nach:

In einem Sessel im hinteren Bereich des großen Raumes lehnte eine junge Frau mit riesigen Kopfhörern, offensichtlich ganz versunken in die Musik, mit geschlossenen Augen und lächelte vor sich hin. Sie wirkte rundum friedlich und entspannt, so wie es in einer PAUSE ja auch sein sollte.

Espresso © Marianne J. / PIXELIO
Zwischen ihr und uns saß an einem Fenstertischchen eine weitere junge Dame, die offensichtlich sehr wichtige Dinge zu erledigen hatte: Sie schaute die ganze Zeit sehr angestrengt auf ihr Netbook, hämmerte ab und an mit ihren Fingern auf der Tastatur herum, um sich im Anschluss daran hektisch eine Strähne aus dem Gesicht zu streichen und dann ganz theatralisch auf die Uhr zu schauen. Dem folgte dann ein sehnsuchtsvoller Blick aus dem Fenster, bevor sich das ganze Schauspiel wiederholte (und wieder und wieder...). Irgendwie wirkte diese Frau absolut unentspannt, ja schon total verkrampft - bemüht, ständig die Form zu wahren und möglichst geschäftig zu wirken. Wenn ihr mich fragt: Das war einfach nur affig!

Die beiden boten das totale Kontrastprogramm. Von den im Hinterzimmer auf den Coucharrangements lümmelnden Studenten muss ich schon gar nichts mehr sagen: Ein Käffchen für 2,50 und dann den ganzen Nachmittag dort abhängen. Joanne K. Rowling hat das ja schließlich auch so gemacht - nur dass sie dabei noch einen Roman von nicht unbeträchtlichem Umfang (sowohl gemessen an der Seitenzahl als auch an der literarischen Importanz) produziert hat. Wer weiß, vielleicht ist das Netbook-Mädel ja die nächste Bestsellerautorin?

Was gab es noch zu sehen? Ach ja: Interessant war für mich persönlich zu beobachten, wer auf der Straße herumspazierte, wenn er/sie doch eigentlich in einer Besprechung sein sollte/n. Da hat offenbar jemand geschwänzt! Aber wenn’s denn der guten Laune dient - bitte sehr. Ich verpfeife auch niemanden, Ehrenwort!

Fazit: Die Mittagspause in der Form, dass man sich „auf einen Kaffee verabredet“, ist sehr empfehlenswert, wenn man nichts Wichtigeres zu tun hat. Anderenfalls ist das mehr oder weniger verschwendete Zeit - also für mich jedenfalls. Der Lichtblick meiner heutigen Mittagspause war das Zusammensein mit einem geliebten Menschen, den ich sonst tagsüber nicht sehe. Aber dieses „Sehen- und Gesehenwerdenwollen“ inklusive der hippen Getränke, die nichts anderes sind als ausschließlich überteuert und qualitativ eher mangelhaft, brauche ich nicht, um mittags mal ein bisschen zu entspannen. Dann doch lieber die Bürotür schließen und im Internet Zeitung lesen. Dabei kann man vielleicht sogar noch die eine oder andere interessante und/oder wichtige Information für die Arbeit gewinnen.

Männer & Schuhe

Lieber Heinz, lieber Horst, lieber Stefan, lieber Thomas, lieber Rolf, lieber Joachim - all Ihr lieben Männer (und auch die nicht „lieben“ Männer sind gemeint), zerbrecht euch nicht länger den Kopf darüber, warum eure Frau sich schon wieder neue Schuhe kauft oder zumindest mal laut darüber nachdenkt. Ihr werdet das vermutlich sowieso nicht verstehen, dazu fehlt euch der Teil des 23. Chromosomenpaars, auf dem vermutlich das Gen angesiedelt ist, welches für die Zusammenstellung der Kleidung und der dazugehörigen Accessoires verantwortlich zeichnet.

Abschreckend © Frau Hamm

Es mag für euch ausreichend sein, ein Paar schwarze Lederschuhe für ganz wichtige Anlässe, ein Paar braune Lederschuhe für weniger wichtige, aber dennoch formelle Anlässe (aber immer daran denken: no brown shoes after six), ein Paar Sneakers für den casual Friday und jede Menge Turnschuhe für sämtliche sonstigen Gelegenheiten zu besitzen (Büromenschen sollen ja sogar mehrere Paare schwarzer und/oder brauner Lederschuhe ihr eigen nennen; für handwerklich tätige Männer sind gegebenenfalls noch Sicherheitsschuhe, Stiefel usw. wichtig).

Bei Frauen sieht das jedoch ganz anders aus. Theoretisch mag die oben genannte Auswahl auf den Schuhschrank der weiblichen Mitbewohnerin ja übertragbar sein, in der Praxis jedoch ist es einfach nicht möglich, eine einfache Kombination zu treffen, wenn es doch in genau demselben Farbton der neuen Bluse im Geschäft nebenan die dazu passenden Ballerinas (oder auch mal Highheels) gibt. Da muss frau einfach zugreifen. Es könnte sogar sein, dass die Schuhe nicht der Farbe der Bluse entsprechen, aber dafür perfekt mit der neuen Handtasche, dem Weihnachtsgeschenk der letzten Saison, harmonieren. Versucht nicht, euren Frauen das auszureden - es klappt sowieso nicht. Außerdem ändert sich die Mode ständig, da muss frau - um auf der Höhe der Zeit zu bleiben oder sogar um einen eigenen Trend zu definieren - mitziehen und für jede Gelegenheit über angemessenes Schuhwerk verfügen.

Wie ich darauf komme? Heute Morgen blätterte ich beim Kaffeetrinken den neuen Land’s End-Katalog durch und fand Trekkingsandalen - die gleichen Modelle für Erwachsene und Kinder. Meine Tochter und ich waren hellauf begeistert und palaverten drauf los, wem von uns welche Farbe besser gefällt, zu welchen Shirts und Hosen man diesen oder jenen Schuh tragen könnte und was im Katalog sonst noch perfekt zu diesen (dann ja wohl neuen) Schuhen passen könnte. Mein Mann saß uns gegenüber, verzog das Gesicht und fing an zu maulen, dass unser Schuhregal sowieso schon überfüllt sei, dieser spezielle Schuh aus diesem und/oder jenem Grund unpraktisch sei, Frauen sich ständig Schuhe kauften, aber dennoch nur drei bis vier Paar überhaupt anzögen, während weitere gefühlte 150 Paare im Regal vor sich hin schlummern würden, aber die Sonne nie zu Gesicht bekämen.

Meine Entgegnung darauf: Ich habe alle Schuhe, die ich besitze, schon ganz oft getragen - ehrlich! Dass ich die hochhackigen Pumps nicht mehr trage, liegt an meinen Rückenproblemen und daran, dass ich täglich zur Arbeit mit dem Auto fahre, was mit hohen Absätzen einfach viel zu gefährlich ist (diesem Argument ist er immer sehr zugeneigt - Kurve also super gemeistert). Deswegen muss man die guten Stücke ja nicht gleich wegwerfen, oder? Ab und zu mal in die Hand nehmen und sanft über den Spann streicheln reicht schon aus für ein gutes Gefühl darüber, solche edlen Teile zu besitzen und auch getragen zu haben (bei manchen dieser Schuhe werden Erinnerungen wach... - aber ich schweife schon wieder ab).

Alice Schwarzer hat mal gesagt (sinngemäß), ein Blick auf das Schuhwerk einer Frau würde alles - oder zumindest sehr viel - über den Grad ihrer Emanzipation verraten. Nur soviel dazu: Ich trage - wie schon gesagt aus gesundheitlichen und praktischen Erwägungen - nahezu ausschließlich flache Schuhe, bin also laut A.S. total emanzipiert. Dennoch werde ich schwach und erleide einen Anflug von Wehmut beim Betreten eines Schuhgeschäfts angesichts der tollen hochhackigen Modelle, die es immer wieder gibt.

Deswegen muss ich ja nicht sofort zur Püppi mutieren, aber man bzw. frau wird ja wohl noch träumen dürfen...