Dienstag, 26. April 2011

Von und zu auf und davon

Wie geht’s eigentlich dem deutschen Adel? Offensichtlich gar nicht gut, denn was man so hört, sieht und liest, lässt Arges vermuten.
So hat sich am vergangenen Wochenende ein Paar derer zu Ichweißauchnichtmehrgenauwiediehießen im Boulevardfernsehen dermaßen blamiert, dass selbst bei mir – und ich bin da eigentlich eher wenig zimperlich – der Fremdschämfaktor ins Unermessliche stieg. Ein Baron und seine Frau gewährten Einblicke in ihr Privatleben, was heutzutage kaum noch etwas wirklich Neues ist. Ohne die so genannten Home Stories und intimen Geheimnisse der High Society könnte der bunte Blätterwald wohl kaum existieren, geschweige denn gefühlt alle Vierteljahre sich verdoppeln. Aber das nur am Rande und wieder zurück zum Paar des Wochenendes:
Der Herr Baron hatte einen äußerst seltsamen Vornamen, was bei Freiherren aber nicht weiter verwunderlich ist. Seine Herzensdame lieferte die schöne Unterzeile „Baronin Giulia von …“ – was vermuten lässt, dass sie vor ihrer Hochzeit Julia oder maximal Juliane hieß, da sie einst dem schnöden Bürgertum entsprang. Ihre gemeine – im Sinne von gewöhnliche – Herkunft blitzte dann auch anfangs ab und zu mal durch, um im Verlauf des Beitrags schließlich doch alles zu überstrahlen, was ihr werter Herr Gemahl dann noch an adeliger Vornehmheit und Zurückhaltung aufrecht zu halten versuchte. Zum Beispiel folgte auf die Frage, wie viele Zimmer das herrschaftliche Schloss biete, die Antwort: „Ach, vierzig oder fünfzig. Das weiß ich nicht so genau. Ich habe sie nie gezählt, sie sind ja immer einfach nur da.“ Dieses zur Schau gestellte Unwissen mag zunächst treuherzig wirken, klingt aber unglaublich überheblich und blasiert nach und hinterlässt einen schalen Beigeschmack.
Auch kaum zu fassen ist das triumphierende Lächeln, wenn die holde Freifrau zum Besten gibt, dass zunächst die Eltern des Gemahls gemeinsam mit dem jungen Brautpaar das Schloss bewohnt hatten, bevor die Schwiegereltern dann auszogen, jawohl! Dabei wird das Kinn in die Höhe gereckt und der errungene Sieg in Gedanken noch einmal so richtig gefeiert. Der junge Baron (welcher mittlerweile auch etwa bei Mitte Vierzig liegen dürfte) indes schweigt und schaut leicht betreten in eine andere Richtung. Die Wirkung dieses Blicks wird noch verstärkt durch das Arrangement der beiden auf einer Chaiselongue (bzw. einem Sofa), wobei sie ihre Sitzposition dadurch erhöht, dass sie ein Bein untergeschlagen hat und sich auf der Schulter ihres Gatten mit dem Ellbogen abstützt.
Wer in dieser Ehe und auf dem Schloss das Sagen hat, dürfte damit endgültig klar sein. Doch wird noch einmal die Position der Herr(scher)in betont, wenn sie im Sattel eines edlen Reittieres (das Pferd war wirklich schön) sitzend dem Hauspersonal Anweisungen erteilt. Der Hintergrundsprecher betont dann auch noch einmal ausdrücklich, die Baronin habe darauf bestanden, dass diese Szene so aufgenommen würde. Der Herr Baron wird dann noch befragt, wer bei gelegentlichen Unstimmigkeiten oder auch mal einem Streit nachgeben und wer sich durchsetzen würde. Die Antwort war zwar zunächst diplomatisch angelegt, kam aber letzten Endes als Eingeständnis des Unvermögens an, sich mal gegen seine Frau durchzusetzen.
Abseits davon regt sich seine Frau in der Zwischenzeit künstlich darüber auf, dass man Personal, insbesondere wenn es sich nicht um das eigene, sondern um das von Fremdfirmen handelte, ständig überwachen müsse. So seien beide täglich auf der Baustelle für die neue Reithalle, deren Genehmigung zunächst von der Gemeinde beinahe vereitelt worden wäre, wogegen man sich aber erfolgreich zur Wehr gesetzt habe. Überhaupt sei es einfach so schlimm, dass in Deutschland der Neid so verbreitet sei. Aber es sei eigentlich doch der ehrlichste Lohn, wenn man beneidet würde.
„Dann wander doch aus“, ist man geneigt, ihr zuzurufen – ich erschrecke, als ich mich dabei ertappe, diese Worte laut ausgesprochen zu haben. Versöhnt stimmt mich die Tatsache, dass der Kommentator sich einer gewissen Ironie ebenfalls nicht zu verschließen vermag. Ich glaube fast, der Herr Baron hat die feinen Nadelstiche gespürt, seine Gattin dagegen sonnt sich in ihrem Titel und ihren Standesdünkel: Sie hat’s geschafft! Ich drücke ihm die Daumen, dass er das entweder weiterhin stoisch erträgt oder aber irgendwann mal die Reißleine der Vernunft zieht. Was auch geschieht, hoffentlich wird das Boulevardfernsehen wieder dabei sein und uns daran teilhaben lassen.
Ich bin offensichtlich angefixt. Sollte ich Risiken und Nebenwirkungen an mir entdecken, werde ich darüber berichten. In diesem Sinne: Freuen wir uns doch einfach schon jetzt auf brandneue Enthüllungen aus dem Leben der von und zu Schnarchburg-Nippes, Schaumschlag-Dippe und wie sie alle heißen mögen!

Freitag, 8. April 2011

Schuhe und Konfliktfreude

Es gibt so viele Ratgeber dazu, wie Frauen in Verhandlungen eher das durchsetzen, was sie möchten, anstatt klein beizugeben. Dabei fallen dann immer wieder so Bemerkungen wie: Frauen sind konfliktscheu. Aargh – da bekomme ich sofort Stresspusteln, wenn ich so etwas höre. 

Haben Sie mal Frauen im Schuhgeschäft beobachtet? Wie sie (gefühlt) stundenlang um ein Regal herumschleichen, dabei möglichst unauffällig nach links und rechts äugen, um zu kontrollieren, ob auch ja keine Rivalin auf dasselbe Paar Traumschuhe ein Auge geworfen haben könnte, die es dann – souverän – auszubremsen gilt... Das ist ein wahres Schauspiel und besser als jede Tierdokumentation. Wenn Sie in Bernhard Grzimeks „Serengeti darf nicht sterben“ sehen konnten, wie eine Löwin ihr Junges verteidigt, so ist deren Gebaren nichts gegen das frauliche Verteidigen eines Paars wundervoller Stillettos, die farblich ideal abgestimmt sind auf das Handtäschchen im nächsten Regal. 

Meistens wissen wir Frauen ja nicht einmal, zu welcher Oberbekleidung wir genau diese Schuhe tragen werden. Aber wenn sie doch so schön sind, wird sich schon etwas dazu finden. Im Not- bzw. Zweifelsfall wird eben noch etwas dazu gekauft. Das müssen einen die edlen Teile schon wert sein. 

Um aber den Bogen zum Eingangssatz zu spannen, komme ich noch einmal auf die Verhandlung zurück: Aktuell wird wieder viel darüber berichtet, dass Frauen weniger Lohn für gleiche Arbeit als ihre männlichen Kollegen bekommen. Ein Grund, der hierfür gerne angeführt wird, ist die schon eingangs beschriebene Konfliktscheue und das zu schnelle Kleinbeigeben. In einer kürzlich geführten Diskussion meinte jemand scherzhaft, Frauen sollten sich in Schuhen bezahlen lassen und das auch in den Gehaltsverhandlungen zum Ausdruck bringen. 
Doch Obacht - auch hierbei gibt es Stolperfallen: Wenn ich nämlich meinem künftigen Chef vorschlage, dass er meine Arbeitsleistung für ein Jahresgehalt von 366 Paar Bruttojahresschuhen erkaufen kann, dann sagt das noch gar nichts über die tatsächliche Höhe des Salärs aus - und damit meine ich nicht die Höhe der Absätze meiner Bruttojahresschuhe, sondern deren finanziellen Gegenwert. Schließlich entsprechen 366 Paar Converse Chucks auch nicht ansatzweise 366 Paar Manolo Blahniks – weder im Aussehen noch im Wert. 

Allerdings habe ich schon erleben dürfen, wie sich zwei Kundinnen in einem Kaufhaus mit integrierter Schuhabteilung um ein paar Chucks nonverbal gezankt haben, weil in der von beiden Damen gewünschten Farbe und Größe nur noch ein einziges Paar vorhanden war. Ich habe schon insgeheim darauf gewartet, wann eine der beiden ihre Krallen katzenmäßig ausfährt und der anderen das Gesicht zerkratzt. Die finsteren Blicke haben jedenfalls keinen Zweifel daran gelassen, dass genau das die Absicht beider Frauen war und sie es sogar ein bisschen bedauerten, physiologisch nicht zum Krallenausfahren in der Lage zu sein. Abgesehen davon haben sie ihren Eiertanz um das Paar Schuhe dermaßen unprofessionell geführt, dass am Ende ich die Objekte der Begierde mein eigen nennen konnte und das kam so: 
Chucks © ARTill / PIXELIO
Kundin A hat den linken Schuh aus der Verpackung genommen und von hinten bis vorne beäugt. Kundin B sucht noch die gesamte Palette nach einem weiteren Paar cappuccinobrauner halbhoher Chucks in Größe 39 und stellt fest, dass das einzige Paar dieser Farbe in dieser Größe gerade zur Hälfte in den Händen von Kundin A liegt. Also geht sie in Lauerstellung: Dabei umkreist sie Kundin A in immer enger werdenden Spiralen und lässt den Schuh nicht aus den Augen. Kundin A bekommt das natürlich mit und gerät ein bisschen in Zugzwang: Soll sie sich dieses Paar Schuhe nun kaufen oder nicht? Wozu würde sie es anziehen wollen? Vielleicht denkt sie auch an den Kaufpreis und darüber nach, ob sie sich dieses Paar Schuhe überhaupt leisten kann. Der Schuh wiegt dabei sanft in ihrer Hand, der Blick ist leicht entrückt, während Kundin B der Schachtel mit dem rechten Schuh verdächtig nahe kommt. Schwupps, gerade noch rechtzeitig ist Kundin A aus ihrer Trance erwacht und hat sich mit einem geschickten Griff des Kartons bemächtigt. Sie legt den linken Schuh hinein, legt den Karton in ihren Korb und setzt ihren Einkauf fort. Kundin B ist enttäuscht darüber, dass A schneller war, und gibt sich nach relativ kurzer Zeit mit einem Paar taupefarbenen Chucks zufrieden; allerdings nicht ohne darüber zu jammern, dass die braunen Schuhe doch so gut zu dieser und jener Hose und diesem und jenem Shirt gepasst hätten, und auch nicht ohne sich selbst mehrfach darüber zu versichern, die taupefarbenen Schuhe wären auch sehr schön (sie war in Begleitung einer anderen Frau – vielleicht ihre Schwester oder Freundin, aber as tut nichts zur Sache). 

Mit Highheels kommt man flach raus
© Essenia Deva / PIXELIO
Irgendwann im Laufe des Einkaufs hat sich Kundin A jedoch dazu entschlossen, die Cappuccinoschlappen nicht zu kaufen, und hat sie – statt sie wieder ordentlich dort abzustellen, wo sie sie hergeholt hatte - in einem Regal mit Kinderbüchern abgelegt. Ich muss wohl kurz nach ihr an diesem Regal vorbeigekommen sein, denn da lagen sie – die vorher so heiß umkämpften Schuhe, die ich ja eigentlich auch kaufen wollte (aber ich mochte mich nicht in den Kampf darum einmischen). Ich war also die lachende Dritte, nachdem sich zwei gestritten haben. Ich schwelgte förmlich in Konfliktfreude – also in Freude über den Konflikt, den andere für mich entschieden hatten und aus dem ich meinen Nutzen ziehen konnte. 


Ob ich um Manolos kämpfen würde? Vermutlich nicht – ich kann in hochhackigen Pumps nämlich nicht laufen, und nur zum „Habenwollen“ und Anschauen sind sie mir einfach zu teuer. Aber wenn ich ehrlich bin: Es sieht schon toll aus, wenn eine Frau Highheels trägt – allerdings nur, wenn sie sich darin auch vernünftig bewegen kann. Leider erlebt man ja nur allzu häufig das Gegenteil – doch das ist ein anderes Thema...

Donnerstag, 7. April 2011

Sven

Kennt jemand den IKEA-Designer Sven Brødersson? Ist auch sehr schwer möglich: Es handelt sich dabei nämlich um den (noch?) imaginären Künstlernamen, den ich für meinen Lebensgefährten ausgewählt habe. Aber mal von Anfang an:

Wir waren am Wochenende bei Freunden und haben uns über Wohnungseinrichtung, Deko-Ideen und die neue IKEA-Werbung unterhalten. Die Werbung, wo eine Familie in einer leeren Wohnung wohnt, in der die Möbelstücke durch Klebeband auf dem Boden angedeutet sind. Schließlich ließ mein Lebensgefährte die Bemerkung fallen, IKEA hätte ja auch nicht wirklich neue Ideen, das sei doch alles irgendwie schon mal dagewesen und er könnte das alles auch.


Blauer Stuhl © Elheim / PIXELIO
 Ich bin immer leicht genervt, wenn jemand (und dann auch noch mein Lebensgefährte!) ständig darauf herumpocht, dass alles Mögliche schon mal da war und keiner mehr neue Ideen hätte. Sich beschweren kann ja irgendwie jeder – soll doch mal jemand was wirklich Neues erfinden! Idealerweise müsste die Idee dann aber auch mal zu Tage gefördert und dann möglichst rasch dem breiten Publikum bekannt gemacht werden.
Eine verpasste Gelegenheit, eine wirklich gute Idee in bare Münze umzuwandeln, hatten wir ja schon in diesem Jahr: Eine Trinkflasche für Hunde für unterwegs. Wir haben einen Hund, den wir sehr lieben. Also sorgen wir auch selbstverständlich gerne für sein Wohl. Dazu gehört, dass wir immer Wasser für ihn dabei haben, wenn wir bei sommerlichen Temperaturen mit ihm unterwegs sind. Wir haben ihm beigebracht, aus Sportflaschen zu trinken. Es gibt ja mittlerweile überall isotonische oder auch andere Getränke aus PET-Flaschen mit „Schnuddel“ (wie heißt der Verschluss eigentlich, den man zum Trinken herauszieht und mit dem man durch Herunterdrücken die Flasche wieder dicht verschließt?). Eine solche Flasche haben wir geleert, mit Leitungswasser gefüllt und mit dem Namen unseres Hundes beschriftet, nicht dass noch aus Versehen eines der Kinder aus der Hundeflasche trinkt.

Irgendwann sagte mein Lebensgefährte, dass man das bestimmt auch vermarkten könne. Wir haben also ein bisschen gesponnen, mit möglichen Markennamen jongliert und uns auch über die Farbe des Etiketts geplaudert. Keine vier Wochen später stand dann bei einem Discounter mit vier Buchstaben ein Hunde-Unterwegs-Set mit genau so einer Flasche (und noch einer Art zweckentfremdeter Frühstücksbox), auf der ein Hundeschatten abgebildet war. Was haben wir gestaunt, uns ein bisschen geärgert, aber trotzdem noch gelacht darüber, dass wir offensichtlich sehr nah am Zeitgeist sind.

Zurück zum vergangenen Wochenende: Als mein Lebensgefährte dann so richtig vom Leder zog und erzählte, was er denn alles so gestalten würde und wie das dann aussähe, habe ich ihm vorgeschlagen, diese Ideen doch mal zu Papier zu bringen und ggf. ein Modell davon zu basteln. Ich würde das dann für ihn unter dem Namen Sven Brødersson an IKEA senden. Dann könnte er seine Ideen so richtig ausleben und käme er ganz groß raus. Unter seinem bürgerlichen Namen hätte er vermutlich keine Chance – zumindest nicht bei IKEA; die heißen dort doch alle irgendwie Mats Ingverson, Jan Svenström oder so – schließlich muss das schwedische Flair belebt werden.

Wenn Sie also mal was von Sven Brødersson entdecken sollten – denken Sie bitte an mich.
Vielen Dank!

Wichtig, wichtig! - Momentaufnahmen aus der Mittagspause

Da geht man einmal zur Mittagspause in einen Kaffeeladen, der das Image „stylish, hipp & in“ irgendwann mal hatte, aber mittlerweile nur noch überteuert ist, ein in der Zwischenzeit auch langweiliges Angebot präsentiert und auch nur teilweise gemütlich möbliert ist. Aber bitteschön - manchmal muss das schon sein. Ein guter halber Liter Milchkaffee für umgerechnet 10 Mark für mich, einen doppelten Espresso, der nicht einmal wirklich gut schmeckte, für meine Begleitung - jetzt sind wir für mindestens ein halbes Jahr wieder geläutert.

Als wir eintraten, war natürlich keine der gemütlichen Sesselgruppen mehr frei und so nahmen meine Begleitung und ich im Obergeschoss an einem kleinen Tisch vor dem Eckfenster Platz. Wir hatten quasi einen Rundumblick: in zweieinhalb Richtungen aus den Fenstern und jeder von uns noch einmal in eine Richtung des Raumes. Da gab es dann wirklich jede Menge zu sehen: schöne Dinge genauso wie wunderlich Anmutendes. Aber der Reihe nach:

In einem Sessel im hinteren Bereich des großen Raumes lehnte eine junge Frau mit riesigen Kopfhörern, offensichtlich ganz versunken in die Musik, mit geschlossenen Augen und lächelte vor sich hin. Sie wirkte rundum friedlich und entspannt, so wie es in einer PAUSE ja auch sein sollte.

Espresso © Marianne J. / PIXELIO
Zwischen ihr und uns saß an einem Fenstertischchen eine weitere junge Dame, die offensichtlich sehr wichtige Dinge zu erledigen hatte: Sie schaute die ganze Zeit sehr angestrengt auf ihr Netbook, hämmerte ab und an mit ihren Fingern auf der Tastatur herum, um sich im Anschluss daran hektisch eine Strähne aus dem Gesicht zu streichen und dann ganz theatralisch auf die Uhr zu schauen. Dem folgte dann ein sehnsuchtsvoller Blick aus dem Fenster, bevor sich das ganze Schauspiel wiederholte (und wieder und wieder...). Irgendwie wirkte diese Frau absolut unentspannt, ja schon total verkrampft - bemüht, ständig die Form zu wahren und möglichst geschäftig zu wirken. Wenn ihr mich fragt: Das war einfach nur affig!

Die beiden boten das totale Kontrastprogramm. Von den im Hinterzimmer auf den Coucharrangements lümmelnden Studenten muss ich schon gar nichts mehr sagen: Ein Käffchen für 2,50 und dann den ganzen Nachmittag dort abhängen. Joanne K. Rowling hat das ja schließlich auch so gemacht - nur dass sie dabei noch einen Roman von nicht unbeträchtlichem Umfang (sowohl gemessen an der Seitenzahl als auch an der literarischen Importanz) produziert hat. Wer weiß, vielleicht ist das Netbook-Mädel ja die nächste Bestsellerautorin?

Was gab es noch zu sehen? Ach ja: Interessant war für mich persönlich zu beobachten, wer auf der Straße herumspazierte, wenn er/sie doch eigentlich in einer Besprechung sein sollte/n. Da hat offenbar jemand geschwänzt! Aber wenn’s denn der guten Laune dient - bitte sehr. Ich verpfeife auch niemanden, Ehrenwort!

Fazit: Die Mittagspause in der Form, dass man sich „auf einen Kaffee verabredet“, ist sehr empfehlenswert, wenn man nichts Wichtigeres zu tun hat. Anderenfalls ist das mehr oder weniger verschwendete Zeit - also für mich jedenfalls. Der Lichtblick meiner heutigen Mittagspause war das Zusammensein mit einem geliebten Menschen, den ich sonst tagsüber nicht sehe. Aber dieses „Sehen- und Gesehenwerdenwollen“ inklusive der hippen Getränke, die nichts anderes sind als ausschließlich überteuert und qualitativ eher mangelhaft, brauche ich nicht, um mittags mal ein bisschen zu entspannen. Dann doch lieber die Bürotür schließen und im Internet Zeitung lesen. Dabei kann man vielleicht sogar noch die eine oder andere interessante und/oder wichtige Information für die Arbeit gewinnen.

Männer & Schuhe

Lieber Heinz, lieber Horst, lieber Stefan, lieber Thomas, lieber Rolf, lieber Joachim - all Ihr lieben Männer (und auch die nicht „lieben“ Männer sind gemeint), zerbrecht euch nicht länger den Kopf darüber, warum eure Frau sich schon wieder neue Schuhe kauft oder zumindest mal laut darüber nachdenkt. Ihr werdet das vermutlich sowieso nicht verstehen, dazu fehlt euch der Teil des 23. Chromosomenpaars, auf dem vermutlich das Gen angesiedelt ist, welches für die Zusammenstellung der Kleidung und der dazugehörigen Accessoires verantwortlich zeichnet.

Abschreckend © Frau Hamm

Es mag für euch ausreichend sein, ein Paar schwarze Lederschuhe für ganz wichtige Anlässe, ein Paar braune Lederschuhe für weniger wichtige, aber dennoch formelle Anlässe (aber immer daran denken: no brown shoes after six), ein Paar Sneakers für den casual Friday und jede Menge Turnschuhe für sämtliche sonstigen Gelegenheiten zu besitzen (Büromenschen sollen ja sogar mehrere Paare schwarzer und/oder brauner Lederschuhe ihr eigen nennen; für handwerklich tätige Männer sind gegebenenfalls noch Sicherheitsschuhe, Stiefel usw. wichtig).

Bei Frauen sieht das jedoch ganz anders aus. Theoretisch mag die oben genannte Auswahl auf den Schuhschrank der weiblichen Mitbewohnerin ja übertragbar sein, in der Praxis jedoch ist es einfach nicht möglich, eine einfache Kombination zu treffen, wenn es doch in genau demselben Farbton der neuen Bluse im Geschäft nebenan die dazu passenden Ballerinas (oder auch mal Highheels) gibt. Da muss frau einfach zugreifen. Es könnte sogar sein, dass die Schuhe nicht der Farbe der Bluse entsprechen, aber dafür perfekt mit der neuen Handtasche, dem Weihnachtsgeschenk der letzten Saison, harmonieren. Versucht nicht, euren Frauen das auszureden - es klappt sowieso nicht. Außerdem ändert sich die Mode ständig, da muss frau - um auf der Höhe der Zeit zu bleiben oder sogar um einen eigenen Trend zu definieren - mitziehen und für jede Gelegenheit über angemessenes Schuhwerk verfügen.

Wie ich darauf komme? Heute Morgen blätterte ich beim Kaffeetrinken den neuen Land’s End-Katalog durch und fand Trekkingsandalen - die gleichen Modelle für Erwachsene und Kinder. Meine Tochter und ich waren hellauf begeistert und palaverten drauf los, wem von uns welche Farbe besser gefällt, zu welchen Shirts und Hosen man diesen oder jenen Schuh tragen könnte und was im Katalog sonst noch perfekt zu diesen (dann ja wohl neuen) Schuhen passen könnte. Mein Mann saß uns gegenüber, verzog das Gesicht und fing an zu maulen, dass unser Schuhregal sowieso schon überfüllt sei, dieser spezielle Schuh aus diesem und/oder jenem Grund unpraktisch sei, Frauen sich ständig Schuhe kauften, aber dennoch nur drei bis vier Paar überhaupt anzögen, während weitere gefühlte 150 Paare im Regal vor sich hin schlummern würden, aber die Sonne nie zu Gesicht bekämen.

Meine Entgegnung darauf: Ich habe alle Schuhe, die ich besitze, schon ganz oft getragen - ehrlich! Dass ich die hochhackigen Pumps nicht mehr trage, liegt an meinen Rückenproblemen und daran, dass ich täglich zur Arbeit mit dem Auto fahre, was mit hohen Absätzen einfach viel zu gefährlich ist (diesem Argument ist er immer sehr zugeneigt - Kurve also super gemeistert). Deswegen muss man die guten Stücke ja nicht gleich wegwerfen, oder? Ab und zu mal in die Hand nehmen und sanft über den Spann streicheln reicht schon aus für ein gutes Gefühl darüber, solche edlen Teile zu besitzen und auch getragen zu haben (bei manchen dieser Schuhe werden Erinnerungen wach... - aber ich schweife schon wieder ab).

Alice Schwarzer hat mal gesagt (sinngemäß), ein Blick auf das Schuhwerk einer Frau würde alles - oder zumindest sehr viel - über den Grad ihrer Emanzipation verraten. Nur soviel dazu: Ich trage - wie schon gesagt aus gesundheitlichen und praktischen Erwägungen - nahezu ausschließlich flache Schuhe, bin also laut A.S. total emanzipiert. Dennoch werde ich schwach und erleide einen Anflug von Wehmut beim Betreten eines Schuhgeschäfts angesichts der tollen hochhackigen Modelle, die es immer wieder gibt.

Deswegen muss ich ja nicht sofort zur Püppi mutieren, aber man bzw. frau wird ja wohl noch träumen dürfen...

Jogginghose, Knopfleiste oder Tesafilm?

Nein, ich erlaube mir kein Urteil über die Pendlerpauschale, sondern ein pauschales Urteil über die allmorgendlichen Mit-im-Stau-Steher und An-der-Ampel-Wettrennen-Veranstalter-und-dann-doch-nicht-aus-dem-Tiefschlaf-Kommer, mit denen ich es in meiner Eigenschaft als Berufspendler leider immer wieder zu tun habe.

Man kann sich ja wirklich manchmal fragen, ob der eigentlich ganz nett aussehende Herr im Auto nebenan Slipper trägt, weil er nicht Schleifen binden kann. Das ist dann aber schon die zweite Fragestufe für fortgeschrittene Hobbypsychologen. Die erste Frage, die sich nahezu selbst beantwortet, lautet: Jogginghose oder Knopfleiste? Vom Reißverschluss scheinen manche Artgenossen - vornehmlich die männlichen Fahrer größerer Wagen (Limousinen, Kombis oder Transporter) - noch nicht die Funktionsweise zu kennen, obwohl sie der Juvenilität längst entwachsen sind.

Auf jeden Fall haben sie keinen Schimmer davon, dass bei einem Reißverschluss, wie er von der Straßenverkehrsordnung zwingend vorgeschrieben ist, wenn zwei Fahrspuren sich zu einer verjüngen, jeweils abwechselnd ein Teil von links, dann einer von rechts, dann wieder ein von links usw. in die Engstelle eingeführt werden. Huschen - aus Versehen oder absichtlich - von einer Seite zwei Teile in die Engstelle, ohne dass von der anderen Seite ein Teil dazwischen eingelassen wird, geht der Reißverschluss kaputt. Im schlimmsten Fall verliert der Herr seine Hose vor versammelter Mannschaft und entblößt lustig bedruckte Boxershorts oder nicht jugendfreie Stringtangas (gibt’s ja auch für Männer) mit Leopardenmuster oder ähnliche Unterwäschekatastrophen.

Dem Fahrer des Mercedes Vito heute Morgen neben mir gönne ich jedenfalls, dass er seine Hosen heute mal unfreiwillig herunterlässt. Ich werde sein Kennzeichen hier nicht veröffentlichen, aber ein silberner Transporter legitimiert nicht die Nötigung, die er mir angetan hat. Und soooo überraschend kam die Fahrbahnverjüngung weder für ihn noch für mich. Allerdings schien es ihn gewurmt zu haben, dass ich tatsächlich bis nach vorne zur Sperrung meiner Spur fuhr, bevor ich mich links einfädeln wollte - wie es ja auch von der Straßenverkehrsordnung vorgeschrieben ist. Vielleicht hatte er auch einfach keinen Führerschein - ich werde es nie erfahren und kann nur hoffen, dass ich ihm jetzt nicht jeden Morgen begegnen muss. Leider stand er an den folgenden Ampeln immer vor, aber nie neben mir, bis er schließlich in eine andere Richtung abbog.

Ich hätte ihn gerne gefragt, wie er seine Hose schließt: Mit Knöpfen, Sicherheitsnadeln oder Tesafilm? Wäre sicherlich ein interessanter Dialog geworden. Obwohl ich ernste Zweifel daran hege, dass er die Frage überhaupt verstanden hätte... Böse Zungen behaupten ja auch, das „OF“ im Kennzeichen bedeutet „ohne Führerschein“. Besonders witzige Zeitgenossen interpretieren das „OF“ auch gerne als „ohne Ferstand“ - haha, selten so gelacht. Aber bei so manchem Fahrer kommen doch leise Bedenken auf, ob der jeweilige Fahrzeugführer jemals eine Fahrschule besucht (und falls ja, ob er die anschließende Prüfung bestanden) hat.

Feierabendstau im Regen © Rainer Sturm / PIXELIO
Den Montagmorgen - wenn auch nur kurzzeitig live und anschließend lediglich in Gedanken - mit derartig lästigen Zeitgenossen zu verbringen, macht nicht besonders viel Spaß, lässt aber auf Besserung für die Woche hoffen. In diesem Sinne wünsche ich all meinen Lesern allzeit unfallfreie Fahrt und immer gut funktionierende Hosenverschlüsse - gleich welcher Art diese auch sein mögen!