Dienstag, 26. April 2011

Von und zu auf und davon

Wie geht’s eigentlich dem deutschen Adel? Offensichtlich gar nicht gut, denn was man so hört, sieht und liest, lässt Arges vermuten.
So hat sich am vergangenen Wochenende ein Paar derer zu Ichweißauchnichtmehrgenauwiediehießen im Boulevardfernsehen dermaßen blamiert, dass selbst bei mir – und ich bin da eigentlich eher wenig zimperlich – der Fremdschämfaktor ins Unermessliche stieg. Ein Baron und seine Frau gewährten Einblicke in ihr Privatleben, was heutzutage kaum noch etwas wirklich Neues ist. Ohne die so genannten Home Stories und intimen Geheimnisse der High Society könnte der bunte Blätterwald wohl kaum existieren, geschweige denn gefühlt alle Vierteljahre sich verdoppeln. Aber das nur am Rande und wieder zurück zum Paar des Wochenendes:
Der Herr Baron hatte einen äußerst seltsamen Vornamen, was bei Freiherren aber nicht weiter verwunderlich ist. Seine Herzensdame lieferte die schöne Unterzeile „Baronin Giulia von …“ – was vermuten lässt, dass sie vor ihrer Hochzeit Julia oder maximal Juliane hieß, da sie einst dem schnöden Bürgertum entsprang. Ihre gemeine – im Sinne von gewöhnliche – Herkunft blitzte dann auch anfangs ab und zu mal durch, um im Verlauf des Beitrags schließlich doch alles zu überstrahlen, was ihr werter Herr Gemahl dann noch an adeliger Vornehmheit und Zurückhaltung aufrecht zu halten versuchte. Zum Beispiel folgte auf die Frage, wie viele Zimmer das herrschaftliche Schloss biete, die Antwort: „Ach, vierzig oder fünfzig. Das weiß ich nicht so genau. Ich habe sie nie gezählt, sie sind ja immer einfach nur da.“ Dieses zur Schau gestellte Unwissen mag zunächst treuherzig wirken, klingt aber unglaublich überheblich und blasiert nach und hinterlässt einen schalen Beigeschmack.
Auch kaum zu fassen ist das triumphierende Lächeln, wenn die holde Freifrau zum Besten gibt, dass zunächst die Eltern des Gemahls gemeinsam mit dem jungen Brautpaar das Schloss bewohnt hatten, bevor die Schwiegereltern dann auszogen, jawohl! Dabei wird das Kinn in die Höhe gereckt und der errungene Sieg in Gedanken noch einmal so richtig gefeiert. Der junge Baron (welcher mittlerweile auch etwa bei Mitte Vierzig liegen dürfte) indes schweigt und schaut leicht betreten in eine andere Richtung. Die Wirkung dieses Blicks wird noch verstärkt durch das Arrangement der beiden auf einer Chaiselongue (bzw. einem Sofa), wobei sie ihre Sitzposition dadurch erhöht, dass sie ein Bein untergeschlagen hat und sich auf der Schulter ihres Gatten mit dem Ellbogen abstützt.
Wer in dieser Ehe und auf dem Schloss das Sagen hat, dürfte damit endgültig klar sein. Doch wird noch einmal die Position der Herr(scher)in betont, wenn sie im Sattel eines edlen Reittieres (das Pferd war wirklich schön) sitzend dem Hauspersonal Anweisungen erteilt. Der Hintergrundsprecher betont dann auch noch einmal ausdrücklich, die Baronin habe darauf bestanden, dass diese Szene so aufgenommen würde. Der Herr Baron wird dann noch befragt, wer bei gelegentlichen Unstimmigkeiten oder auch mal einem Streit nachgeben und wer sich durchsetzen würde. Die Antwort war zwar zunächst diplomatisch angelegt, kam aber letzten Endes als Eingeständnis des Unvermögens an, sich mal gegen seine Frau durchzusetzen.
Abseits davon regt sich seine Frau in der Zwischenzeit künstlich darüber auf, dass man Personal, insbesondere wenn es sich nicht um das eigene, sondern um das von Fremdfirmen handelte, ständig überwachen müsse. So seien beide täglich auf der Baustelle für die neue Reithalle, deren Genehmigung zunächst von der Gemeinde beinahe vereitelt worden wäre, wogegen man sich aber erfolgreich zur Wehr gesetzt habe. Überhaupt sei es einfach so schlimm, dass in Deutschland der Neid so verbreitet sei. Aber es sei eigentlich doch der ehrlichste Lohn, wenn man beneidet würde.
„Dann wander doch aus“, ist man geneigt, ihr zuzurufen – ich erschrecke, als ich mich dabei ertappe, diese Worte laut ausgesprochen zu haben. Versöhnt stimmt mich die Tatsache, dass der Kommentator sich einer gewissen Ironie ebenfalls nicht zu verschließen vermag. Ich glaube fast, der Herr Baron hat die feinen Nadelstiche gespürt, seine Gattin dagegen sonnt sich in ihrem Titel und ihren Standesdünkel: Sie hat’s geschafft! Ich drücke ihm die Daumen, dass er das entweder weiterhin stoisch erträgt oder aber irgendwann mal die Reißleine der Vernunft zieht. Was auch geschieht, hoffentlich wird das Boulevardfernsehen wieder dabei sein und uns daran teilhaben lassen.
Ich bin offensichtlich angefixt. Sollte ich Risiken und Nebenwirkungen an mir entdecken, werde ich darüber berichten. In diesem Sinne: Freuen wir uns doch einfach schon jetzt auf brandneue Enthüllungen aus dem Leben der von und zu Schnarchburg-Nippes, Schaumschlag-Dippe und wie sie alle heißen mögen!

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