Mittwoch, 10. September 2014

(Un-)Mensch bei Maischberger

- (m)eine TV-Kritik


Das Thema der gestrigen Sendung (23:00 Uhr im Ersten) war “Krieg um Kinder – wenn die Familie zerbricht”. Gäste waren Birgit Schrowange, die ihren Sohn alleine erzieht, Tobias Ritter, dessen italienische Ex-Frau die gemeinsamen Töchter zweimal entführte (das zweite Mal mithilfe eines professionellen internationalen Rings), Elvira Steffens, die sich nach Zoff mit dem Ex mittels einer richterlich verfügten Familientherapie (Cochemer Modell) bewusst wurde, dass die Kinder beide Eltern brauchen, wenn auch nicht als Paar, Julia Scherf, eine ehemalige Familienrichterin, Allegra Curtis, deren Eltern Tony Curtis und Christine Kaufmann sich gegenseitig die Kinder zeitweise streitig machten, und Detlef Bräuning, der stolz darauf ist, keinen Unterhalt zu zahlen. 


Die Geschichten der Damen und die kurzen Exkurse in die juristische Trennung zwischen Sorgerecht, Umgang und Unterhalt waren sehr interessant und ließen z.B. Allegra Curtis endlich mal als Mensch erscheinen. Hatte ich sie bislang nur als monströs operierte Tochter von TC und CK wahrgenommen, offenbarte sich eine Person, die unter der Trennung der Eltern stark gelitten hat und nun versucht, trotz Trennung vom Vater ihres Sohnes, ihrem Kind ähnliche Erfahrungen zu ersparen. Dass Birgit Schrowange keine schmutzige Wäsche in der Öffentlichkeit wäscht, weiß man ja. Insofern gab es von ihr nichts brandneues, sondern mehr oder weniger „nur“ den Hinweis, dass man sich als Paar gerne streiten darf, aber eben nicht vor dem Kind (und auch niemals (!) vor oder mit dem Kind schlecht über den anderen Elternteil reden soll. 


Das ist in der Praxis oft leichter gesagt als getan. Erst recht, wenn man von Tobias Ritter erfährt, dass seine italienische Frau die beiden Töchter mal eben mit in die italienische Heimat nimmt und sich keiner Schuld bewusst ist („Sind doch meine Kinder, ist mein Zuhause, was soll daran falsch sein?“). Hart wird’s, wenn er weiter berichtet, wie und wie lange er um die Kinder gekämpft hat. Wie er sie gesucht und schließlich auch gefunden und wieder nach Deutschland zurückgeholt hat. Tragisch, dass eine halbe Stunde ohne persönliche Aufsicht (die Bücherei ist direkt um die Ecke, was soll da passieren?) ausreichte, dass Profis im Auftrag der Mutter die Kinder erneut entführen. Allerdings geht die Reise dieses Mal nicht nach Italien, sondern quer durch Europa. Gott sei Dank wurden die Kinder erneut ausfindig gemacht und dem Vater zurückgebracht. Ende gut, alles gut? Wie es den Kindern in dieser spannungsgeladenen Atmosphäre geht, kann wohl niemand 100%ig beurteilen. Man kann nur hoffen, dass sie trotz allem ein gesundes Verhältnis zu beiden Eltern wieder entwickeln können. 


Die mir unbekannte Elvira Steffens beeindruckt mit ihrer Erzählung: Ungewollt schwanger und dann auch noch Zwillinge! Vom Kindesvater verletzt (was genau vorgefallen war, blieb im Dunkeln – schließlich wollte sie nicht in der Öffentlichkeit und damit „vor den Kindern schlecht über den Vater sprechen“) und dann dermaßen zornig, dass sie ihm die Kinder vorenthält. Sie verweigert und unterbindet jeglichen Kontakt, bis ein Familienrichter ihr eindringlich das Cochemer Modell ans Herz legt (wer mehr darüber erfahren möchte, sollte sich die Homepage des Arbeitskreises anschauen: http://www.ak-cochem.de/ , oder beim Jugendamt und/oder Jugendhilfeeinrichtungen nachfragen). Insgesamt habe es etwa sechs Jahre gedauert, bis sie ihrem Expartner wieder richtig vertrauen und ihm dann auch die Kinder vorbehaltlos anvertrauen konnte. Respekt! 


Zum Schluss – und wie ich finde leider viel zu spät – trat dann ein gewisser Detlef Bräuning ins Rampenlicht, der sich damit brüstete, noch nie Unterhalt für seine Kinder gezahlt zu haben und dieser Verpflichtung mangels Einsicht auch „im Leben nicht“ nachkommen würde. Zur Geschichte: Er hat mit seiner ehemaligen Lebensgefährtin zwei Kinder (um 2005 geboren), sie trennte sich von ihm und zog – nach Angabe des Herrn B. – 500 km weg. Herr B. sah damals keine Möglichkeit, diese 500 km zu überbrücken, um seine Kinder mehr oder weniger regelmäßig zu besuchen. War ihm wohl zu teuer und zu zeitintensiv – wie auch immer. Irgendwann müssen dann Unterhaltsforderungen gegen ihn eingegangen sein, da hat er sich nach Thailand abgesetzt, wo er – wie man in der MAZ sehen konnte – anscheinend in Saus und Braus lebte, während seine Ex von Hartz IV sich und die Kinder in Deutschland über Wasser halten musste. Irgendwann ist Herr B. wieder nach Deutschland gezogen, hat wohl auch vor ca. dreieinhalb Jahren mal seine Kinder in Augenschein genommen, konnte aber „keine Vatergefühle“ empfinden. „Das“, so betonte Herr B. im späteren Verlauf der Sendung, hieße jedoch nicht, dass er „die Kinder nicht lieben würde“. Appelle an sein Gewissen von den Damen der Runde wie auch von Herrn Ritter fruchteten nichts: Herr B. fühlte sich von seiner Ex, deren Anwältin und auch der damaligen Richterin massiv beleidigt und gedemütigt. Also sah er sich moralisch nicht verpflichtet, „dafür auch noch Geld zu zahlen“. 


Familienrichterin Scherf saß neben ihm und man konnte deutlich erkennen, wie unangenehm ihr das wohl sein musste. Sie drängte sich förmlich in die andere Ecke der gemeinsamen Sitzgelegenheit und blickte peinlich berührt in die andere Richtung. Nach Aufforderung durch die Moderatorin Maischberger versuchte Frau Scherf, Herrn B. zu verdeutlichen, dass das Sorgerecht, der Umgang und der Unterhalt voneinander getrennte Angelegenheiten sind, die man im Idealfall in einem Abwasch regeln könne, meist aber getrennt voneinander betrachten müsse, um in der jeweiligen Sache eine Einigung (oder einen richterlichen Beschluss) zu erzielen. Jegliche Ansprachen des Herrn B. durch die übrigen Teilnehmer der Runde – sei es ein Appell an Vatergefühle, an Verantwortung als Vater, an Verantwortung gegenüber dem Staat, der in der Zwischenzeit in die Unterhaltsverpflichtung eintritt – waren Perlen vor die Säue geworfen. Breit grinsend und extrem selbstgefällig saß da dieser Typ, der anderen Vätern durch einen selbst gegründeten Verein Tipps und Tricks gibt, wie sie sich um mögliche Unterhaltsverpflichtungen herumschummeln können. Da darf schon mal Lore Lorentz zitiert werden: 
„Meine Wut ist jung“. 
Mich plagt bei solcher Zurschaustellung vollkommener Gewissen- und Skrupellosigkeit immer die Frage, ob da nicht mal jemand vom Staat mit dem Unterhaltstitel am Studioausgang auf den Herrn B. (oder ähnliche Gestalten) warten kann, der gleich mal das fröhliche Pfänden beginnt oder eben „ersatzweise Haft“ in die Tat umsetzen kann. Mir ballt sich bei solchen Gelegenheiten dermaßen die Faust in der Tasche, dass noch jetzt, ca. zwölf Stunden nach der Sendung, das Gefühl eines – Achtung Wortspiel – HANDfesten Muskelkaters zu verspüren ist.

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