Mittwoch, 13. Juli 2011

Wir sind Griechenland! Franjo fängt an.

Kann sich noch jemand an die große “Du bist Deutschland”-Kampagne erinnern, die vor Jahren durch sämtliche Medien geisterte und zu der es ein supertolles Ironic Cover gab? Ich warte jetzt auf die große Medienkampagne zur Solidarität und Identifizierung der Bürger mit Europa im Allgemeinen und Griechenland im Speziellen. Da kann gerne die Leidenschaft für Gyros und Tzatziki herangezogen werden, griechischer Wein ist hierzulande ja eher musikalisch ein Genuss – und selbst der ist nur einer bestimmten Zielgruppe bekömmlich. Jedenfalls braucht Griechenland jetzt unsere Unterstützung, da es sich von der Wiege der Demokratie in einen Selbstbedienungsladen für einige wenige privilegierte Familien entwickelt hat. Diese Entwicklung muss irgendwie wieder in die richtigen Bahnen gelenkt werden, damit das Land nicht zu Grunde geht und seine europäischen Freunde mit in den finanziellen (und damit gesamtwirtschaftlichen) Ruin zieht.
Dieses “IndierichtigenBahnenlenken” gestaltet sich allerdings schwierig, da EUROPA sich nicht mal eben in innenpolitische Angelegenheiten seiner Mitgliedsstaaten einmischen sollte (das macht es zwar immer wieder; allein schon, indem es vorschreibt, welche Maße eine handelsübliche Gurke haben muss; reden wir aber nicht drüber, dann fällt das auch nicht weiter auf). Es kann aber genausowenig angehen, dass die europäischen Nachbarn, die der Eurozone angehören, jede Menge Geld an den griechischen Staat überweisen, welches anschließend stante pede wieder irgendwie – aus Sicht der Spender – “verjubelt” wird, indem lustig weiter so vor sich hingewurschtelt wird wie bisher.
Gerd Altmann/Shapes:dezignus.com/pixelio.de
Huch, jetzt hab ich plötzlich einen Ohrwurm – den Schlager “Eine Mark für Charly, denn Charly, der ist pleite. Wieder einmal Ebbe in seinem Portmonnaie” von Wencke Myhre aus dem Jahr 1979 (erschienen als 7. Track auf ihrer LP “So bin ich” – das aber nur als Hintergrundinfo für Fans).


Jedenfalls ist dieser Charly offensichtlich chronisch knapp bei Kasse, aber immer wieder gut am Feiern, weswegen er regelmäßig in die Bredouille gerät und auf eine Anzeige wegen Zechprellerei zusteuert. Die gute Wencke erbarmt sich, nimmt ihr neckisches Käppi vom Haupt und lässt die lustig-bunte Kopfbedeckung herumgehen, wobei sie singenderweise stellvertretend für Charly die übrigen Gaststättenbesucher anschnorrt. Jetzt könnte man sagen: “Ist doch nett von ihr, dem armen Charly aus der Klemme zu helfen, wenn er es selbst nicht mehr packt.” Ja, aber wenn sie das jedes Mal so macht, kommt dieser Charly nie im Leben auf den Trichter, dass er vielleicht irgendetwas in seinem Leben ändern sollte, um wieder auf eigenen Beinen stehen zu können.
In Bezug auf unsere griechischen Nachbarn (im Vorspann der Sendung “Nachbarn in Europa” – gibt’s die überhaupt noch? – waren auch Aufnahmen aus Griechenland zu sehen, die das Land als eher ärmlich darstellten) geistert die Diskussion der Finanzminister der Eurostaaten nun schon seit längerer Zeit immer wieder zwischen Euro-Rettungsschirm, Schuldenerlass, Umschuldung, sanfte Umschuldung, nächster Euro-Rettungsschirm, Euro-Rettungspaket undundund. Es könnt einem der Schädel platzen ob der vielen Bezeichnungen für ein und dieselbe Sache: Geld für Griechenland, damit es erst mal über die Runden kommt. Und wenn dieses Ziel verfehlt wird (wovon man leider ausgehen muss), dann wird die gute Wencke eben wieder singen, die übrigen Gäste anschnorren und dem Charly wieder aus der Patsche helfen. 

Ach so, wir waren schon weg von diesem Bild. Egal – Sie verstehen schon, was gemeint ist.

Keiner hat auch nur irgendwie einen Plan, ob und wie die “Geberländer” jemals die jetzt Griechenland zugeschusterten Milliarden wiederbekommen. Von Zinsen, wie dies in der Wirtschaft üblich ist, mag man nicht mal mehr kühn träumen. Die Banken, die dem Staat Griechenland immer wieder Kredite gewährt haben und es eigentlich hätten besser wissen müssen, da sich die Personen in den entsprechenden Positionen den ganzen Tag nur mit Geldwirtschaft und Geldpolitik beschäftigen (müssten, wenn sie nicht gerade Golf spielen oder den Ausblick vom Pissoir der Vorstandstoilette in der oberen Etage des Frankfurter Büroturms auf die Mainmetropole genießen), dürfen selbstverständlich auch nicht fallengelassen werden. Die muss man doch jetzt unterstützen, also bitte!
Privatleute können sich angesichts dieser Geldpolitik nur verwundert die Augen reiben und fragen, wie das überhaupt funktionieren soll. Doch muss man den Blick gar nicht so weit bis in den Süden Europas schweifen lassen: Ein Abstecher ins schöne Düsseldorf reicht schon. Dort hat die Sparkasse einem gewissen Franjo P. schließlich auch den Löwenanteil seiner Schulden erlassen. Dumm nur, dass irgendwer die Geheimhaltung nicht eingehalten hat und der Rest der Republik auch davon Wind gekommen hat: Von über 9 Millionen Euro musste Herr P. nur läppische 815.000 Euro zurückzahlen. Das macht gerade mal eine Quote von 8,76 %. Man ist geneigt zu fragen, wer oder was die Banker dazu bewegt haben mag, diesen Deal einzugehen.
Auf jeden Fall bin ich ernsthaft am Überlegen, ob ich nicht auch jede Menge Schulden mache und dann – unter Hinweis auf den Grundsatz der Gleichbehandlung gemäß Artikel 3 des Grundgesetzes – die Sparkasse darauf aufmerksam mache, dass sie nur 8,76 % davon zurückerwarten sollte. Der Gleichbehandlungsgrundsatz kommt zwar hauptsächlich in Fällen der öffentlichen Gewalt bzw. in weiterer Ausformulierung durch das Antidiskriminierungsgesetz vorrangig in arbeitsrechtlichen Konstellationen zum Tragen, aber das muss ich denen ja nicht gleich auf die Nase binden.  Jedenfalls bin ich mal gespannt, wie die Herren und Damen meiner Filiale darauf reagieren werden. Da ich aber weder mit dem blendende Aussehen des Herrn P. noch der gnadenlosen Marketingstrategie der zur Schau gestellten dreisten Dummheit seiner Frau (die gar nicht so dumm sein kann, da das Konzept offensichtlich aufgeht) aufwarten kann, befürchte ich, dass mein Vorhaben von eher weniger Erfolg gekrönt sein wird.
Tja  mir bleibt also nur, eisern zu sparen und meinen Lebensstil meinem Einkommen anzupassen – schließlich bin ich weder Griechenland noch Franjo. Aber wer will das auch schon sein?

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