Freitag, 8. April 2011

Schuhe und Konfliktfreude

Es gibt so viele Ratgeber dazu, wie Frauen in Verhandlungen eher das durchsetzen, was sie möchten, anstatt klein beizugeben. Dabei fallen dann immer wieder so Bemerkungen wie: Frauen sind konfliktscheu. Aargh – da bekomme ich sofort Stresspusteln, wenn ich so etwas höre. 

Haben Sie mal Frauen im Schuhgeschäft beobachtet? Wie sie (gefühlt) stundenlang um ein Regal herumschleichen, dabei möglichst unauffällig nach links und rechts äugen, um zu kontrollieren, ob auch ja keine Rivalin auf dasselbe Paar Traumschuhe ein Auge geworfen haben könnte, die es dann – souverän – auszubremsen gilt... Das ist ein wahres Schauspiel und besser als jede Tierdokumentation. Wenn Sie in Bernhard Grzimeks „Serengeti darf nicht sterben“ sehen konnten, wie eine Löwin ihr Junges verteidigt, so ist deren Gebaren nichts gegen das frauliche Verteidigen eines Paars wundervoller Stillettos, die farblich ideal abgestimmt sind auf das Handtäschchen im nächsten Regal. 

Meistens wissen wir Frauen ja nicht einmal, zu welcher Oberbekleidung wir genau diese Schuhe tragen werden. Aber wenn sie doch so schön sind, wird sich schon etwas dazu finden. Im Not- bzw. Zweifelsfall wird eben noch etwas dazu gekauft. Das müssen einen die edlen Teile schon wert sein. 

Um aber den Bogen zum Eingangssatz zu spannen, komme ich noch einmal auf die Verhandlung zurück: Aktuell wird wieder viel darüber berichtet, dass Frauen weniger Lohn für gleiche Arbeit als ihre männlichen Kollegen bekommen. Ein Grund, der hierfür gerne angeführt wird, ist die schon eingangs beschriebene Konfliktscheue und das zu schnelle Kleinbeigeben. In einer kürzlich geführten Diskussion meinte jemand scherzhaft, Frauen sollten sich in Schuhen bezahlen lassen und das auch in den Gehaltsverhandlungen zum Ausdruck bringen. 
Doch Obacht - auch hierbei gibt es Stolperfallen: Wenn ich nämlich meinem künftigen Chef vorschlage, dass er meine Arbeitsleistung für ein Jahresgehalt von 366 Paar Bruttojahresschuhen erkaufen kann, dann sagt das noch gar nichts über die tatsächliche Höhe des Salärs aus - und damit meine ich nicht die Höhe der Absätze meiner Bruttojahresschuhe, sondern deren finanziellen Gegenwert. Schließlich entsprechen 366 Paar Converse Chucks auch nicht ansatzweise 366 Paar Manolo Blahniks – weder im Aussehen noch im Wert. 

Allerdings habe ich schon erleben dürfen, wie sich zwei Kundinnen in einem Kaufhaus mit integrierter Schuhabteilung um ein paar Chucks nonverbal gezankt haben, weil in der von beiden Damen gewünschten Farbe und Größe nur noch ein einziges Paar vorhanden war. Ich habe schon insgeheim darauf gewartet, wann eine der beiden ihre Krallen katzenmäßig ausfährt und der anderen das Gesicht zerkratzt. Die finsteren Blicke haben jedenfalls keinen Zweifel daran gelassen, dass genau das die Absicht beider Frauen war und sie es sogar ein bisschen bedauerten, physiologisch nicht zum Krallenausfahren in der Lage zu sein. Abgesehen davon haben sie ihren Eiertanz um das Paar Schuhe dermaßen unprofessionell geführt, dass am Ende ich die Objekte der Begierde mein eigen nennen konnte und das kam so: 
Chucks © ARTill / PIXELIO
Kundin A hat den linken Schuh aus der Verpackung genommen und von hinten bis vorne beäugt. Kundin B sucht noch die gesamte Palette nach einem weiteren Paar cappuccinobrauner halbhoher Chucks in Größe 39 und stellt fest, dass das einzige Paar dieser Farbe in dieser Größe gerade zur Hälfte in den Händen von Kundin A liegt. Also geht sie in Lauerstellung: Dabei umkreist sie Kundin A in immer enger werdenden Spiralen und lässt den Schuh nicht aus den Augen. Kundin A bekommt das natürlich mit und gerät ein bisschen in Zugzwang: Soll sie sich dieses Paar Schuhe nun kaufen oder nicht? Wozu würde sie es anziehen wollen? Vielleicht denkt sie auch an den Kaufpreis und darüber nach, ob sie sich dieses Paar Schuhe überhaupt leisten kann. Der Schuh wiegt dabei sanft in ihrer Hand, der Blick ist leicht entrückt, während Kundin B der Schachtel mit dem rechten Schuh verdächtig nahe kommt. Schwupps, gerade noch rechtzeitig ist Kundin A aus ihrer Trance erwacht und hat sich mit einem geschickten Griff des Kartons bemächtigt. Sie legt den linken Schuh hinein, legt den Karton in ihren Korb und setzt ihren Einkauf fort. Kundin B ist enttäuscht darüber, dass A schneller war, und gibt sich nach relativ kurzer Zeit mit einem Paar taupefarbenen Chucks zufrieden; allerdings nicht ohne darüber zu jammern, dass die braunen Schuhe doch so gut zu dieser und jener Hose und diesem und jenem Shirt gepasst hätten, und auch nicht ohne sich selbst mehrfach darüber zu versichern, die taupefarbenen Schuhe wären auch sehr schön (sie war in Begleitung einer anderen Frau – vielleicht ihre Schwester oder Freundin, aber as tut nichts zur Sache). 

Mit Highheels kommt man flach raus
© Essenia Deva / PIXELIO
Irgendwann im Laufe des Einkaufs hat sich Kundin A jedoch dazu entschlossen, die Cappuccinoschlappen nicht zu kaufen, und hat sie – statt sie wieder ordentlich dort abzustellen, wo sie sie hergeholt hatte - in einem Regal mit Kinderbüchern abgelegt. Ich muss wohl kurz nach ihr an diesem Regal vorbeigekommen sein, denn da lagen sie – die vorher so heiß umkämpften Schuhe, die ich ja eigentlich auch kaufen wollte (aber ich mochte mich nicht in den Kampf darum einmischen). Ich war also die lachende Dritte, nachdem sich zwei gestritten haben. Ich schwelgte förmlich in Konfliktfreude – also in Freude über den Konflikt, den andere für mich entschieden hatten und aus dem ich meinen Nutzen ziehen konnte. 


Ob ich um Manolos kämpfen würde? Vermutlich nicht – ich kann in hochhackigen Pumps nämlich nicht laufen, und nur zum „Habenwollen“ und Anschauen sind sie mir einfach zu teuer. Aber wenn ich ehrlich bin: Es sieht schon toll aus, wenn eine Frau Highheels trägt – allerdings nur, wenn sie sich darin auch vernünftig bewegen kann. Leider erlebt man ja nur allzu häufig das Gegenteil – doch das ist ein anderes Thema...

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